André Ballin, Moskau. Gerichtsvollzieher pfändeten am Dienstag knapp 5,3 Mrd. Rubel (145 Mio. Euro) von den Firmenkonten des Ölkonzerns Yukos. Gleichzeitig begannen sie mit der Schätzung des größten Ölförderunternehmens innerhalb der Holding. Die zum Konzern gehörende „Juganskneftegas“ mit Ölreserven im Wert von 24,5 Mrd. Euro könnte schon in kurzer Zeit zwangsweise unter den Hammer kommen. Die Yukos-Aktien wurden nach massiven Verlusten aus dem Handel genommen.
Im Justizministerium wurde eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die die Schätzung von „Juganskneftegas“ durchführen soll. Anschließend soll das Unternehmen, das bisher Yukos gehört, verkauft werden. Als Hauptinteressenten für Juganskneftegas gelten die staatlichen bzw. halbstaatlichen Großkonzerne Gasprom, Surgutneftegas und Rosneft.
Bei Yukos befürchtet man, dass die Aktien schon in der nächsten Woche für den eher symbolischen Preis von 1,4 Mrd. Euro verkauft werden könnten. Das entspräche nicht einmal einem Zehntel des Wertes der geschätzten Ölreserven (24,5 Mrd.Euro). Yukos-Papiere fielen nach Bekanntwerden der neuen Hiobsbotschaft um 20 Prozent, ehe der Handel in Moskau gestoppt wurde.
Sollte es zum Verkauf kommen, wäre dies eine klare Rechtsverletzung, da „Juganskneftegas“ als Produktionseinheit erst zu allerletzt verkauft werden dürfe, heißt es aus der Firmenzentrale. Der Sprecher des russischen Fonds für Staatseigentum Wladimir Selenzow geht hingegen nicht von einem so schnellen Verkauf aus. Allein die Vorbereitung für den Verkauf nehme mindestens einen Monat in Anspruch, teilte er mit.
Bleibt also noch etwas Zeit für eine friedliche Einigung. Zumindest Yukos-Sprecher Hugo Erikssen ging gegenüber russland-aktuell.RU davon aus, dass eine Kompromisslösung um die Nachzahlung der Steuern noch gefunden werden könne. Am Freitag sei ein Brief mit der Bitte, die Schulden um einige Monate zu strecken, an die Regierung gegangen.
„Sobald wir eine Einigung erreicht haben, wird die Anordnung über eine Beschlagnahmung des Konzerneigentums irrelevant. Wenn keine Einigung erzielt werden sollte, die uns erlaubt, die Schulden über ein paar Monate verteilt zu bezahlen, dann werden die Gerichtsvollzieher natürlich mit dem Verkauf von Aktiva fortfahren. Wir werden aber auch weiterhin alles tun, damit dies nicht nötig wird”, teilte Erikssen mit.
Derzeit scheint der Optimismus freilich nicht gerechtfertigt. Es scheint tatsächlich so, dass ein Bankrott des Konzerns den Kreml-Interessen entgegen käme. Außerdem gibt es da noch die Aussage des Gasprom-Vorstandsmitglieds Wlada Russkowa von Anfang Juni, dass Gasprom grundsätzlich Interesse an einer Übernahme von Yukos-Aktiva habe. Die Aussage wurde zwar von Gasprom schnell und eifrig dementiert, doch die Gelegenheit für den Ausbau des eigenen Ölgeschäfts ist verführerisch günstig.
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