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Wirtschaft & Geld     

19-07-2004 Wirtschaft & Geld

Neue Lokomotiven für das Wirtschaftswachstum

Die erste russische Güterlok der neuen Generation in Kolomna (Foto: Schapowalow/RZD)Von Karsten Packeiser, Moskau. Ein großer Teil der russischen Eisenbahnwaggons und der etwa 20.000 Lokomotiven hat seine geplante Nutzungsdauer bereits überschritten oder muss in Kürze abgeschrieben werden. Mit einem 600 Milliarden Rubel (16 Milliarden Euro) schweren Investitionsprogramm will die russische Eisenbahn AG RZD in den kommenden Jahren ihren veralteten Fuhrpark erneuern.

Schon heute arbeitet die Bahn, mit der in Russland nach wie vor vier Fünftel aller Gütertransporte und 40 Prozent des Personenverkehrs abgewickelt werden, am Rande ihrer Möglichkeiten. In den letzten fünf Jahren steigerten die Eisenbahner das Güter-Transportvolumen um 28 %. Fehlende Kapazitäten und zunehmender Verschleiß könnten schon bald zu einer ernsten Bremse für den beginnenden Wirtschaftsaufschwung werden. Die Gefahr hat inzwischen auch die Regierung in Moskau erkannt. Im August soll ein Aktionsprogramm zur Entwicklung des Lokomotiven- und Waggonbaus verabschiedet werden.

Das Durchschnittsalter der derzeit eingesetzten Dieselloks beträgt 18, das der E-Loks sogar 20 Jahre. 1992, im Jahr nach dem Zerfall der Sowjetunion, hatte das damalige russische Eisenbahnministerium immerhin 333 neue Loks in Dienst nehmen können. 2001 waren es gerade noch 38. Als Erbe der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung im Rahmen der Ostblock-Wirtschaftsgemeinschaft RGW fahren auf den russischen Eisenbahn-Magistralen bis heute viele Lokomotiven tschechoslowakischer Bauart.

Wiedergeburt Russlands

Sie sollen bald durch neue russische Entwicklungen ersetzt werden. „Dies ist die beste Maschine nicht nur in Russland, sondern im gesamteuropäischen Verkehrs-Gemeinschaft“, lobte RZD-Chef Gennadi Fadejew bei einer Präsentation den Prototyp der ersten russischen Elektro-Güterlok (2TE70). Nicht weniger pathetisch erklärte Verkehrsminister Igor Lewitin: „In ihr sehen wir die Wiedergeburt Russlands.“

Außer dem Lokomotiven-Werk in Kolomna bei Moskau („OAO Kolomenski Sawod“), wo die neue 6000-kw-Lok entwickelt wurde, stehen an mehreren Standorten in Russland Werke mit freien Kapazitäten bereit, um mit dem Bau der neuen Technik zu beginnen. Über die Konditionen wird zurzeit noch verhandelt. In den 1990-er Jahren hatte die Branche unter der allgemeinen Krise schwer gelitten. Allein in Kolomna, wo 1896 die erste russische Dampflok gebaut worden war, mussten wegen ausbleibender Aufträge seit dem Übergang zur Marktwirtschaft über die Hälfte der einst 25.000 Arbeitsplätze gestrichen werden.

Ähnlich trübe sah die Lage lange Zeit an den anderen Standorten für Verkehrsmaschinenbau, etwa in Nowotscherkassk oder Ulan-Ude aus. Notwendige Investitionen blieben aus. „Die Produktivität liegt um ein Zehnfaches unter der von vergleichbaren Unternehmen in Europa“, kritisierte Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen russischer Maschinenbauer im Dezember.

Bei www.aktuell.RU:
• Interview mit Bahn-Chef Fadejew:
• Russische Bahn setzt Prioritäten (12.07.2004)
• Russische Eisenbahn profitiert von Konjunktur (18.03.2004)

Heute macht die RZD den Eisenbahnschmieden wieder Mut und bietet den Herstellern langjährige Großaufträge. Inzwischen können die Betriebe wegen Überlastung bereits nicht mehr alle Aufträge ausführen. Das Werk in Kolomna soll seine Lieferungen an die Eisenbahn AG von derzeit 26 Dieselloks und 118 Eisenbahn-Motoren auf 120 Loks der neu entwickelten Baureihen und 600 Motoren im Jahr 2010 steigern.

Bereits vor einem Jahr schloss die Bahn mit dem Metallurgie-Werk von Wyksa bei Nischni Nowgorod ein erstes mehrjähriges Großabkommen über die Lieferung von Eisenbahnrädern im Umfang von insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar. Bis 2010 verpflichtet sich das Metall-Werk, 4,8 Millionen Räder an die RZD zu liefern, deren Nutzungsdauer mit 12 Jahren nahezu doppelt so land sein soll wie derzeit.

Dank der zurzeit guten Konjunktur kann die Eisenbahn ihr Investitionsprogramm zu einem bedeutenden Teil aus Eigenmitteln finanzieren. Die Gelder für die Anschaffung weiterer Waggons und Lokomotiven will die RZD über Leasing-Verträge bereitstellen. Doch nicht nur die ehemalige russische Staatsbahn will den Waggon- und Lokomotivenbauern wieder volle Auftragsbücher verschaffen. Auch pivate Eisenbahn-Logistik-Unternehmen, die im Zuge der russischen Bahnreform an Bedeutung gewinnen, würden Bestellungen vorbereiten, so Minister Lewitin.

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