St. Petersburg. Das im Petersburger Vorort Strelna geplante „deutsche Industriegebiet“ hat womöglich seinen ersten Investor gefunden: Angeblich will die "BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH" neben der dortigen Russlanddeutschen-Siedlung für 95 Mio. Euro ein Werk errichten. Das Unternehmen winkt jedoch ab: Man sei interessiert, nicht mehr.
Die Petersburger Wirtschaftszeitung „Delowoj Peterburg“ berichtete unter Berufung auf die Pressestelle des Smolny, dass BSH der erste von zahlreichen Interessenten für das Industriegebiet Neudorf-Strelna sei, der eine „endgültige Entscheidung über den Bau eines Werkes dort“ getroffen habe.
Dem Bericht zufolge interessiert sich BSH für ein Grundstück von 20 bis 22 Hektar Größe. Dies wäre etwa die Hälfte der Gesamtfläche des Areals – für dessen Erschließung die Stadtregierung in diesem Jahr 140 Mio. Rubel und 5 Mio. Dollar (gesamt etwa 7,6 Mio. Euro) eingeplant hatte. Welche Geräte der Hersteller von Herden, Kühlschränken, Waschmaschinen und anderem Elektrohausrat dort produzieren möchte, stünde noch nicht fest.
Bosch-Siemens sucht auch noch anderswo
Eine Sprecherin des Münchner Unternehmens dementierte gegenüber aktuell.RU jedoch die Entgültigkeit dieser Informationen. Es sei zwar zutreffend, dass BSH aufgrund der guten Marktentwicklung in Russland – wie auch in Mittel- und Osteuropa allgemein – nach Lösungen sucht, dort Fertigungskapazitäten aufzubauen. Zur Zeit würden aber noch mehrere Standort-Möglichkeiten geprüft. „Deshalb ist auch eine Delegation von Vertretern der BSH zu Informationsgesprächen mit örtlichen Behörden in Rußland unterwegs. Zu einer Entscheidungsfindung wird es voraussichtlich nicht vor Anfang 2005 kommen“, so Eva Delabre von BSH.
In Strelna, unweit des zum 300. Stadtjubiläum in ein nobles staatliches Kongresszentrum verwandelten Konstantin-Palastes, hat bislang nur der deutsche Staat größere Summen investiert: Ende der 90er Jahre wurde hier eines der Siedlungsprojekte verwirklicht, mit denen die Bundesrepublik Russlanddeutschen eine Zukunftsalternative zur Aussiedlung verschaffen wollte.
Neudorf-Strelna: Von der Wohnsiedlung zum Gewerbepark
Für 10 Mio. DM sowie 20 Mio. Rubel von der russischen Seite wurden in einem neu erschlossenen Wohngebiet 50 Einfamilienhäuser errichtet und ab 1998 an russlanddeutsche Familien aus den GUS-Staaten vergeben. Der ursprünglich geplante zweite Bauabschnitt, der die Siedlung auf 175 Wohneinheiten erweitern sollte, wurde jedoch nie verwirklicht. Auch das Gewerbegebiet war anfangs für Klein- und mittelständische Betriebe der Siedler selbst geplant, die seinerzeit sogar nach dem Faktor ihrer „Unternehmenslustigkeit“ ausgewählt wurden.
Inzwischen umwirbt die Stadtverwaltung und die „Entwicklungsagentur Neudorf-Strelna“ für den „deutschen“ Gewerbepark aber eher Großunternehmen als Bauherren. Und für diese wird bei der Standortsuche die Nachbarschaft mit vier Dutzend Häuschen von Russlanddeutschen kaum der entscheidende Faktor sein – sondern eher die finanziellen und rechtlichen Bedingungen sowie die Nähe zum Hafen, zum Airport Pulkovo und der zukünftigen Ringautobahn um St. Petersburg.
Auch Toyota schmiedet Eisen in Petersburg
Zurückhaltung bis zuletzt bei den Investoren und das verfrühte Vermelden vermeintlich vollendeter Tatsachen ist beim Poker um Industriestandorte allerdings ein weit verbreitetes Phänomen: So meldeten in den letzten Jahren Regionen kreuz und quer durch Russland, dass Volkswagen gerade bei ihnen ein Autowerk errichten wird. Die Fabrik gibt es bis heute nicht.
Und auch aus St. Petersburg verlautete nicht einmal, dass sich Toyota schon für einen Bauplatz in der Newa-Stadt entschieden habe. Gegenwärtig ist wieder eine Delegation des Konzerns in der Stadt, um das Angebot zu prüfen: Laut „Kommersant“ geht es um eine Investion von bis zu 950 Mio. Dollar auf 200 Hektar Fläche im südlichen Vorort Schuschary – wo, wenn alles klappt, schon 2006 die ersten Corolla und Camry vom Band laufen könnten.
(ld/.rufo)
|