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Das modifizierte Original des Neptunbrunnens in Peterhof (Foto: Yair Haklai)
Das modifizierte Original des Neptunbrunnens in Peterhof (Foto: Yair Haklai)
Montag, 04.10.2010

Der Neptunbrunnen in Peterhof, 350 „bewegte“ Jahre

Nürnberg. 1660 schlug die Geburtsstunde des Neptunbrunnens. Gefertigt in Nürnberg, aufgestellt in St. Petersburg. Verkauft, geklaut und kopiert. Russland-Aktuell portraitiert die Wanderschaft im „bewegten“ Leben Neptuns.

Als der Bildhauer Georg Schweigger aus Nürnberg im Jahr 1660 nach zehn Jahren Arbeit sein neun Meter hohes Modell des Neptunbrunnens begutachtete, befand er sein Werk als gelungen.

Wolfgang Hieronymus Herold, Abkömmling einer führenden Nürnberger Rotschmied-Dynastie, wurde mit dem Bronzeguss beauftragt. 1668 war die seinerzeit größte barocke Brunnenanlage nördlich der Alpen vollendet.

Kein Geld und angeboten wie Sauerbier


Der einzige Haken an der Geschichte: Der Stadt Nürnberg fehlte das Geld, um ihn aufzustellen und in Betrieb zu nehmen. Damit nahm die Posse um den Neptunbrunnen ihren Lauf. Er wurde zwischengelagert, zur Probe auch einmal „trocken“ aufgebaut und im 18. Jahrhundert dann mehrfach wie Sauerbier zum Verkauf angepriesen.

Ob nun Zar Paul I. gerade einen Brunnen brauchte oder ihn einfach nur die Größe und Pracht des Neptunbrunnens beeindruckte, wissen wir nicht. Für 66.000 Gulden jedenfalls kaufte er 1797 die Skulpturengruppe, übernahm zudem noch die Transportkosten und ließ das Kunstwerk im oberen Garten von Schloss Peterhof, dem „russischen Versailles“ 30 km westlich von St. Petersburg, installieren.

Eine kleine Nachbesserung und eine Kopie


Allerdings ist das Wasserspiel an seinem neuen Standort ein wenig modifiziert worden. Ursprünglich als innerstädtisches Kleinod in einer engen mittelalterlichen Stadt konzipiert, passte der Neptunbrunnen nicht so recht in das weitläufige Gesamtbild einer höfischen Parkanlage.

Der zentrale Neptun auf seinem Sockel wurde kurzerhand tiefer gelegt, die Figurengruppen, allesamt der griechischen Mythologie entlehnt, weiter auseinander gezogen, und schon war das ganze Ensemble aus Bronze mit der Sommerresidenz stimmig.

Der Nürnberger Kunsthistoriker Friedrich Wanderer regte 1881 im Zuge seiner Vision „Rückgewinnung des Verlorenen“ einen Nachguss des Originals an. Mit Einwilligung des Zaren durfte der Gipsformer Ludwig Leichmann einen Abdruck für eine Kopie abnehmen. Nürnberg war wieder auf den Brunnen aufmerksam geworden.

Das nachgegossene Original-Original des Brunnens in Nürnberg (Foto: Barth/.rufo)
Das nachgegossene Original-Original des Brunnens in Nürnberg (Foto: Barth/.rufo)

Den Nachguss installiert, das Original geklaut


1902 konnte endlich ein Nachguss des Neptunbrunnens auf dem Nürnberger Hauptmarkt präsentiert werden. Dumm nur, dass der Mäzen ein Jude war und ein wenig später der Brunnen den Nationalsozialisten aus Platzgründen während ihrer Reichsparteitage ein Dorn im Auge.

Wohl eher aus parteipolitischem Antrieb heraus verschwand diese jüdische Stiftung 1934 ruckzuck wieder vom zeitgenössisch so benannten „Adolf-Hitler-Platz“.

Dafür hat sich der „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ gleich über das Original hergemacht. 1941, zu Beginn der Leningrader Blockade, wurde der Neptunbrunnen in St. Petersburg von den einfallenden deutschen Truppen wieder deinstalliert, Peterhof gebrandschatzt und die Beutekunst „heim ins Reich“ verfrachtet.

Eingemottet im Bunker


Das Kriegsende verbrachte der Brunnen, ohne zwischenzeitlich jemals wieder seinem eigentlichen Zweck zugeführt geworden zu sein – sicher in Kisten verpackt – in den ausgedehnten, zu Luftschutzbunkern umfunktionierten Bierkellern unterhalb der Nürnberger Burg. Im sogenannten „Kunstbunker“ harrte er bis1947 geduldig auf seine Rückführung nach Peterhof.

Es fehlte zwar eine Jungfrau (sie wurde später in Nürnberg nachgegossen), dafür machte sich in einer der zwölf Kisten ein nagelneues BMW-Motorrad auf die Reise gen Osten. Die Jungfrau konnte erstmal warten. 1996, pünktlich zum 200-jährigen Jubiläum des Brunnens in Peterhof, war die Restauration endlich abgeschlossen.

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Im Beisein des deutschen Konsuls sowie einer Delegation aus Nürnberg wurde stilecht bei Nürnberger Bier und den legendären Nürnberger Bratwürsten die erneute Inbetriebnahme gefeiert.

Verblüffend ähnlich ist das Schicksal des Gottorper Globus, der als Geschenk aus Schleswig-Gottorf 1713 an Zar Peter I. ging. Die Wendungen des Schicksals wollten es, dass die Weltkugel im Zweiten Weltkrieg als "Beute" nach Deutschland gelangte und von dort 1947 zurück nach Leningrad kam. Zu bewundern ist sie in der Kunstkammer am Universitätskai.

Brunnen Brunnen, du musst wandern


Die Kopie fand ab 1937 eine zwischenzeitliche Bleibe auf dem Zentral-Omnibus-Bahnhof in Nürnberg. Aber auch nur bis 1962. Der Verkehr nahm zu und der Brunnen stand wieder einmal im Weg. Das nachgegossene Kunstwerk zog in den Stadtpark um. Dort fristet der nachgemachte Neptunbrunnen geduldig seine Tage.

Wer weiß, wo er als nächstes landen wird. Gedankenspiele sind bereits im Gang, die Kopie wieder in die Innenstadt zu verlegen. Zyniker meinen, es wäre wohl am geschicktesten, gleich Räder unter den Brunnen zu montieren. Das würde die vielen Umzüge innerhalb Nürnbergs um ein Wesentliches erleichtern.

Wann und wo
06.10.2010, 19.00 Uhr – Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Der Eintritt ist frei.

Ein Vortrag in Nürnberg


Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg befasst sich nun in einem Vortrag von Dr. Claudia Maué mit dem ruhelosen Leben des Neptunbrunnens. Und referiert auch über den künstlerischen Aspekt der Skulpturen und das Schaffen des Bildhauers Georg Schweiggers.

Der Neptunbrunnen markierte seinen vollzogenen Übergang in den Barock. Schließlich war Schweigger zu jener Zeit einer der geschätztesten Bildhauer in ganz Europa.

Ein lebendiges Bild von diesem „Wanderbrunnen“ können Sie sich selbst bei einem Besuch in Peterhof bei St. Petersburg machen. Oder Sie schlendern einfach einmal durch den Nürnberger Stadtpark. Solange die Kopie da jedenfalls noch steht…



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