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Zweiter Umsturz in fünf Jahren: In Sachen Revolution haben die Kirgisen inzwischen beeindruckende Routine entwickelt (Foto: tv/.rufo)
Zweiter Umsturz in fünf Jahren: In Sachen Revolution haben die Kirgisen inzwischen beeindruckende Routine entwickelt (Foto: tv/.rufo)
Donnerstag, 08.04.2010

Kirgisische Revolution 2.0: Russland nicht abgeneigt

Bischkek/Moskau. Noch hat er nicht abgedankt, aber die Kontrolle hat Kirgisiens Präsident Bakijew bereits verloren. Die Regional-Vormacht Russland wird ihn nicht stützen – sondern freundet sich mit seinen Gegnern an.

Russlands Premier Wladimir Putin erklärte als Reaktion auf den unvermittelten Umsturz in der GUS-Republik gestern bildhaft, dass Kirgisiens Staats-Chef Kurmanbek Bakijew „auf die gleiche Harke wie sein Vorgänger getreten“ sei.

In der Tat war vor fast genau fünf Jahren die sogenannte „Tulpenrevolution“ nach einem ähnlichen Szenario abgelaufen: Ein autoritärer Staats-Chef gängelt die Opposition, verbiegt das Wahlrecht und kümmert sich statt um die Entwicklung seines Landes mehr um Vetternwirtschaft und Erbfolge-Fragen, um Macht und Pfründe in der Familie zu halten.

Akajew wollte 2005 nicht gleich abdanken


Damals hatte es allerdings schon gut zehn Tage lang in dem bettelarmen Land offen gegärt, bevor in Bischkek oppositionelle Kräfte und ein plündernder Mob den damaligen Präsidenten Askar Akajew samt seiner Sippe davon jagten. Akajew ließ sich anschließend im russischen Exil auch nochmals zehn Tage Zeit, bevor er seine Abdankung erklärte.

Sein Nachfolger Bakijew hat sich hingegen in sein Heimatstädtchen im Süden zurückgezogen und verhandelt offenbar nur noch über eine Sicherheitsgarantie für sich und seine nächsten Anverwandten. Dann dürfte sein Rücktritt erfolgen.

Umsturz im Express-Tempo


Diesmal verlief der Umsturz in der zentralasiatischen Bergrepublik Kirgistan (auch die Schreibweisen Kirgisien und Kirgisistan sind weit verbreitet) so schnell, dass auch seine Akteure kaum hinterher kamen. Am Dienstag gab es einen Aufstand in der Provinzmetropole Talas, am Mittwoch folgten dann blutige Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Oppositionsanhängern, die in der Hauptstadt Bischkek das Regierungsgebäude stürmen wollten.

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Die Staatsmacht hielt sich dann nur noch wenige Stunden - die Demonstranten eroberten auch das Parlament und das TV-Zentrum, den Präsidenten-Amtssitz und zahlreiche andere Behörden. Es wurde geplündert, einige Gebäude gingen in Flammen auf. Tags zuvor verhaftete Oppositionsführer wurden befreit – und traten sofort im Fernsehen auf.

Putin bietet Otunbajewa Hilfe an


Gerade der russischen Führung ist ja bekanntlich jede politische Willensbildung auf der Straße ein Gräuel - geschweige denn der Versuch einer Machtprobe der Massen mit dem Staat. Dennoch telefonierte Russlands Premier Wladimir Putin schon tags darauf mit Rosa Otunbajewa, der Chefin der Sozialdemokratischen Partei und Vorsitzende der neuen provisorischen Regierung.

Dieses 13-köpfige Gremium hatte in der Nacht erklärt, dass es die Machtkompetenzen von Präsident und Regierung an sich ziehe. Innerhalb von sechs monaten wolle man erst für Ordnung im Lande sorgen und dann eine neue Verfassung und demokratische Reformen initiieren.

Putin habe ihr Hilfe zur Stabilisierung der Lage angeboten, erklärte Otunbajewa. Obwohl Moskau formell darauf besteht, dass es sich bei dem Umsturz um innere Angelegenheiten Kirgisiens handelt, kommt ein solches Gespräch schon einer Anerkennung der neuen Machthaber nahe.

Erst Kiew, nun Bischkek: Moskau gewinnt neue Freunde


Es gibt einige Indizien, dass Russland über den Sturz Bakijews gar nicht unglücklich ist – und sich nun insgeheim über einen ähnlichen strategischen Gewinn freut wie nach dem jüngst erfolgten Präsidentenwechsel in der Ukraine, wo nun wieder ein Moskau-freundlicher Wind weht.

US-Freund Bakijew verprellte den Kreml


Denn in letzter Zeit hatte der Kreml mit Noch-Präsident Bakijew einigen Ärger. Der hatte sich bei einem Moskau-Besuch letztes Jahr Entwicklungshilfe und Schuldenerlass in Höhe von 330 Mio. Dollar und 300 Mio. Dollar vergünstigte Kredite zusagen lassen – wollte aber im Gegenzug dafür eine US-Nachschubbasis in seinem Land schließen. Letztlich wurde die für den Einsatz in Afghanistan wichtige Basis von Bakijew aber nicht geschlossen, sondern nur umbenannt. Die USA sollten sogar noch ein Trainingscamp in Kirgistan bewilligt bekommen.

Mächtiger Bakijew-Sohn auf antirussischer Linie


In den vergangenen Monaten beklagten sich Geschäftsleute und Diplomaten aus Russland zudem über Repressionen gegenüber russisch-sprachigen Internetseiten sowie russischen Business-Interessen in Bischkek, berichtet heute der Moskauer „Kommersant“.

Initiator dieser Aktionen soll der Sohn Bakijews gewesen sein: Er war von seinem Vater zum Chef einer mit üppigen Ressourcen und Vollmachten ausgestatteten staatlichen Entwicklungs- und Investitionsagentur ernannt worden. Faktisch kam Bakijew jun. damit an die wirtschaftlichen Schalthebel des kleinen Landes. Nach dem gestrigen Umsturz führte Maxim Bakijew prompt in Washington Gespräche – es dürfte um die Exil-Frage gegangen sein.

Otunbajewa profilierte sich als Moskau-freundlich


Rosa Otunbajewa als Anführerin der von Bakijew gegängelten Opposition hatte hingegen erst vor kurzem die anti-russischen Vorstöße der kirgisischen Regierung kritisiert und Russland als „unseren strategischen Partner und Verbündeten“ bezeichnet.

Keine Frage, im Kreml hört man derartiges gern – und ist dann auch bereit, einem vom Chaos heimgesuchten Land eine helfende Hand zu reichen. Am Donnerstag schickte Moskau auch gleich Truppen los.

Allerdings handelt es sich nur um 150 Fallschirmjäger. Ihr offizieller Auftrag lautet, für einen besseren Schutz des Personals und der Familien auf dem in Kirgistan ebenfalls existierenden russischen Luftwaffenstützpunkt zu sorgen.



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