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Historischer Handschlag: Russland und die Ukraine verknüpfen Militärinteressen und Wirtschaftsfragen (Foto: president.gov.ua) |
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Donnerstag, 22.04.2010
Billig-Gas gegen Flottenbasis: Details des DealsMoskau/Charkow. Russland lässt sich die Einigung mit der Ukraine über die Stationierung der Schwarzmeerflotte einiges kosten. Den Mehrwert sieht der Kreml wohl in der so langfristig blockierten Nato-Mitgliedschaft.
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Die Ukraine spart in Zukunft dank des von Moskau eingeräumten 30-Prozent-Rabattes auf russisches Erdgas 4 Mrd. Dollar pro Jahr - und bekommt energetische Planungssicherheit für zehn Jahre.
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Wie der halbstaatliche Gazprom-Konzern mitteilte, geht dieser Nachlass nicht auf seine Rechnung, sondern voll und ganz zu Lasten des russischen Haushaltes: Der Rabatt von 30 Prozent, höchstens aber 100 Dollar pro 1.000 Kubikmeter, wird nach den gestrigen Vereinbarungen durch eine entsprechende Herabsetzung der Exportzölle erzielt.
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Verrechnung Gas-Rabatt gegen Mietkosten
Wie Präsident Dmitri Medwedew nach der Unterzeichung des Vertrages in Charkow erklärte, soll der Nachlass allerdings mit den Mietkosten für die Basen der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim verrechnet werden.
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Wie der Kommersant heute berichtet, soll der ab 2017 geltende Mietpreis für die Basen 500 Mio. Dollar jährlich betragen und durch die auflaufenden Gas-Nachlässe beglichen werden. Dies bedeutet, dass Russland bereits innerhalb der nächsten drei Jahre die Miete bis 2042 komplett vorbezahlt.
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Auch wurde der Gas-Rabatt nicht etwa im parallel von Gazprom und Naftogas unterzeichneten Zehn-Jahres-Vertrag über Gaslieferungen in und durch die Ukraine fixiert, sondern in dem neuen Stationierungsabkommen. Dies bedeutet, dass Kiew den Anspruch auf das Billig-Gas verliert, wenn die Ukraine den Vertrag jetzt nicht ratifizieren oder später einmal denunzieren sollte.
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Die Schwarzmeerflotte wird 40 Mal teurer
Nach dem 2017 auslaufenden Stationierungsvertrag zahlte Russland bisher 98 Mio. Dollar jährlich Miete. Die Nutzung der drei Häfen Sewastopol, Feodosia und Nikolajew sowie zweier Flugplätze auf der Krim kommt Russland also in Zukunft faktisch 40 Mal teurer als bisher.
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Dafür kann Russland allerdings strategische Dividenden kassieren: Der zunächst bis 2042 (2017 plus 25 Jahre) geltende neue Stationierungsvertrag blockiert in dieser Zeit der Ukraine eine Nato-Mitgliedschaft. Denn der Allianz kann sich nur anschließen, wer keine fremden Militärstützpunkte auf seinem Territorium hat.
Teurer Umzug des "Schiffs-Museums" entfällt
Außerdem entfällt die Notwendigkeit, die als Ersatz geplante neue Flottenbasis im russischen Hafen Noworossijsk im Eiltempo fertigzustellen. Das 2005 auf Kosten von 40 Mrd. Rubel (damals ca. 1,1 Mrd. Euro) taxierte Projekt kam wegen fehlender staatlicher Finanzierung in den letzten Jahren nicht recht in die Gänge und hätte kaum fristgerecht bis 2017 vollendet werden können.
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Möglicherweise investiert Russland dafür in die Modernisierung der Schwarzmeerflotte selbst: Bei dem Verband handelt es sich um das altersschwächste Flottengeschwader Russlands: Das Durchschnittsalter der verbliebenen 32 Schiffe beträgt 28 Jahre.
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Darunter ist auch der Methusalem der russischen Flotte: Der einstige Rettungskreuzer Kommuna wurde 1915 gebaut und steht noch immer als Hilfsschiff in Diensten. Laut dem alten Schwarzmeerflotten-Vertrag von 1997 kann Russland auf der Krim 388 Schiffe und 161 Fluggeräte unterhalten.
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Timoschenko ruft zum Widerstand auf
Die ukrainische Opposition macht unterdessen gegen den von Präsident Viktor Janukowitsch unterzeichneten Deal mobil: Ex-Premier Julia Timoschenko sprach von Verrat an den nationalen Interessen und will eine Sondersitzung der Rada für Samstag einberufen lassen.
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Für heute wurde bereits zu einer Demonstration aufgerufen. Die Opposition wirft Janukowitsch einen Bruch der Verfassung vor, da diese die Stationierung fremder Truppen im Lande verbiete.
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Janukowitsch schon reif fürs Impeachment?
Die Partei Unsere Ukraine des früheren Präsidenten Viktor Juschtschenko kündigte an, deshalb ein Amtsenthebungsverfahren gegen Janukowitsch zu initiieren. Die neue Staatsmacht steuere einen deutlichen Kurs zur Russifizierung und Aufgabe der nationalen Interessen.
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Als nächstes, so die ehemalige Regierungspartei, würden Janukowitschs Leute wohl die letzten strategischen Ressourcen der Ukraine abgeben: die Luftfahrtindustrie, die Atomenergie und die unterirdischen Gas-Speicher.
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Beobachter in Kiew befürchten, dass die Beseitigung der beiden Hauptproblempunkte im russisch-ukrainischen Verhältnis nun zu neuen innerukrainischen Konflikten zwischen den Russland- und den westorientierten Kreisen führen könnte.
Und Erdgas ist doch eine Waffe
Der Kreml und seine Geldmaschine Gazprom müssen sich allerdings auch von einer in der Vergangenheit gerne postulierten Devise verabschieden:
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Jetzt noch weiter zu behaupten, Russlands Export-Gaspreise würden einzig durch marktwirtschaftliche Prozesse geprägt und seien weder Gegenstand der Politik und schon gar keine "außenpolitische Waffe" - das wäre nicht nur unehrlich, sondern einfach nur noch peinlich.
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