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Der Wodka hat Symbolkraft für Russland (Foto: Djatschkow/.rufo)
Der Wodka hat Symbolkraft für Russland (Foto: Djatschkow/.rufo)
Montag, 11.09.2006

Alkoholvergiftungen in Russland als Systemkrise

Moskau. Hunderte Menschen haben sich in den Regionen Twer und Belgorod mit gepanschtem Alkohol vergiftet. 20 Todesopfer sind zu beklagen. Laut Statistik sterben in Russland mehr Menschen an Fusel als bei Unfällen.

Angaben des russischen Innenministeriums zu Folge sterben pro Jahr etwa 42.000 Menschen an gepanschtem Alkohol. Zum Vergleich –bei Verkehrsunfällen lassen jährlich etwa 35.000 Menschen ihr Leben, Suizid begehen 55.000 Menschen. Allerdings ist auch in diesen beiden Fällen oft Alkohol im Spiel.

Kampf gegen Alkohol bringt in Russland keine positiven Resultate


Es gab viele Versuche, Russland „trocken zu legen“. Unter Michail Gorbatschow startete beispielsweise eine Anti-Alkohol-Kampagne. Deren Erfolg war allerdings bescheiden. Nachdem der Alkoholverkauf in den Geschäften eingeschränkt wurde, blühten illegale Herstellung und Verkauf von Spirituosen auf. Gewaltige finanzielle Verluste für die sowjetische Wirtschaft und viele Alkoholvergiftete waren die Folge.

Auch die im vergangenen Jahr von Präsident Wladimir Putin angeschobene Kampagne zur Erhöhung der staatlichen Kontrolle über den Alkoholmarkt wurde zum Boomerang. Das neue elektronische System zur Erfassung und Lizenzierung von Spirituosen funktioniert bis heute mangelhaft. Monatelang herrschte ein Alkoholdefizit in den Geschäften. Dieses wurde noch durch den „Weinkrieg“ mit Georgien und Moldawien verschärft.

Russlands Oberster Amtsarzt Gennadi Onischtschenko fand „Rückstände von Pestiziden und Schwermetallen“ in den beliebten Weinen und forderte ein Verbot für diese Waren. Deren Platz nahmen später zweifelhafte Duplikate, „made in Russia“, ein. Den Wodkamangel in den Geschäften glichen viele Russen durch „Samogon“ („Selbstgebrannten“) aus.

Massenvergiftungen in mehreren russischen Regionen


Während der für den Eigenverbrauch gedachte „Samogon“ in der Regel qualitativ hochwertiger Alkohol ist, gilt das für den Verkauf nur eingeschränkt. In der Region Twer gelangte mit technischem Alkohol gepanschter Wodka in den Umlauf. 212 Menschen haben sich inzwischen vergiftet, elf Menschen starben.

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• Alkoholvergiftung in Westrussland fordert Tote (04.09.2006)
• Massenhafte Alkoholvergiftung in Westrussland (31.08.2006)
• Umfrage: Moskauer haben noch kein Alkoholproblem (27.07.2006)
• Alkoholkrise: Regierung sucht Schuldigen und Ausweg (24.07.2006)
• Bürgerkammer bittet Fradkow um Alkohol für Russland (19.07.2006)
Die Lebensmittelkontrollbehörde identifizierte die giftige Beimischung als Desinfektionsmittel „Extrasept 1“. „Genauso gut hätten sie Fensterreiniger trinken können“, charakterisierte der Chef der Kontrollbehörde in Twer, Witali Senoda, die Wirkungsweise des Fusels. Die Polizei nahm bereits in der vergangenen Woche erste Verdächtige fest, doch der giftige Alkohol kursiert immer noch in der Region.

Einen ähnlichen Fall meldet die westrussische Region Belgorod. Dort gibt es sogar schon 309 Vergiftete, wobei die Zahl der Opfer täglich steigt. Acht Personen starben an den Folgen einer Lebervergiftung. Die Behörden ermitteln auch in diesem Fall. Erste Spuren führen in die Nachbarregion Woronesch, wo sich ebenfalls über 50 Personen an gepanschtem Alkohol vergiftet haben. Daneben traf es noch Nischni Nowgorod und Tatarstan.

Onischtschenkos Kampf gegen ausländischen Wein


Die russische Internetzeitung newsru macht die Lebensmittelbehörde für die Massenvergiftungen verantwortlich. „Die Massenvergiftungen hängen damit zusammen, dass qualitativ hochwertiger Alkohol vollständig aus den Geschäften verschwand, nachdem der Kampf der Lebensmittelbehörde gegen moldawische und georgische Weine begann.“ Durch die Kampagne sei ein Ansteigen der Todesrate auf über 60.000 Tote zu befürchten, beruft sich newsru auf Expertenschätzungen.

Der Chef der Lebensmittelbehörde Onischtschenko will dennoch nicht einlenken. Er hat inzwischen einen weiteren Feind ausfindig gemacht. Nun sollen ukrainische und chinesische Weine unter die Lupe genommen werden. „Von 45 Proben ukrainischen Weins entsprachen zwei nicht den Gesundheitsnormen, elf erfüllten nicht die Qualitätsanforderungen für Geschmack, Geruch usw. Von acht chinesischen Weinen erfüllten fünf die Anforderungen nicht“, erklärte Onischtschenko. Die entsprechenden Sorten seien bereits aus dem Verkehr gezogen.

Immerhin, auch der einheimische Wodka wird kontrolliert. Seit März zogen die Lebensmittelprüfer 170.000 Liter Fusel-Wodka aus dem Verkehr. Doch in einem Land, das offiziell jährlich 1,3 Mrd. Liter produziert und inoffiziell wohl noch einmal so viel, ist dies lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.

(ab/.rufo)



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