Donnerstag, 10.09.2009
Medwedew: Russland erneuern ohne zu überstürzenMoskau. Dmitri Medwedew hat heute in einem offenen Brief in scharfen Worten Russlands strukturelle Rückständigkeiten angeprangert. Im zweiten Teil seines Textes skizziert er, wie er sich den reformierten Staat vorstellt - und welche Gegner seinem Vorhaben entgegenstehen.
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Als neue Leitlinien einer zukunftsorientierten russischen Wirtschaftsstrategie hat Medwedew schon vor einiger Zeit die Schlagworte Energieeffizienz und Energiesparen sowie Kerntechnologie, Raumfahrt, Medizintechnik und schließlich strategische Informationstechnologien genannt.
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Ausländische Forscher sind willkommen
In seinem Brandbrief stellt er nun dar, wie er diese wirtschaftliche Umorientierung politisch und gesellschaftlich fundieren möchte. Um das nötige Know-how für den Innovationsdurchbruch zu kultivieren, sollten in Zukunft ausländische Unternehmen und Wissenschaftsstrukturen die allergünstigsten Bedingungen für den Aufbau von Forschungs- und Konstruktionszentren geboten bekommen.
Wir laden die besten Wissenschaftler und Ingenieure der Welt zur Arbeit ein, verspricht Medwedew und konterkariert damit den bislang im Lande vorherrschenden Generalverdacht gegen jedwede ausländische wissenschaftliche Strukturen im Lande.
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Wissenschaftlicher und technischer Fortschritt sei aber untrennbar mit Fortschritten des politischen Systems verbunden, postuliert Russlands Präsident. Deshalb werde sich selbiges wandeln in ein maximal offenes und flexibles System, dass der politischen Kultur freier, wohlhabender, kritisch denkender und selbstsicherer Menschen entspreche.
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Kampfansage an das faktische Einparteien-System
Dem in den letzten Jahren von der Putin-Partei Einiges Russland schon fast zementierten Alleinvertretungsanspruch setzt Medwedew ein Konkurrenzmodell entgegen: Wie in den meisten demokratischen Staaten werden parlamentarische Parteien den politischen Kampf bestimmen, die sich von Zeit zu Zeit an der Macht ablösen werden.
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Der Weg hin zu einem solchen politischen System würde bereits begangen, sagt Medwedew. In diesem Jahr eingeleiteten Reformen würden den Parteien schon mehr Macht zubilligen, die Kandidatenkür erleichtern und gerechten Zugang zu den Medien verschaffen.
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Nur keine Hektik: Stabilität über alles
Allerdings appelliert Medwedew, die politische Reform nicht zu überstürzen. Die von manchen geforderte Rückkehr in die demokratischen 90er Jahre sei nicht zulässig, da sie auch eine Rückkehr zum gelähmten Staat bedeuten würde: Wir werden uns nicht beeilen. Die stabilen Lebensbedingungen dürften auch nicht den hehrsten Zielen geopfert werden.
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Russlands Demokratie werde auch nicht die westlichen Muster mechanisch kopieren. Freiheit könne nicht aus Büchern abgeschrieben werden genauso wenig wie ein effektives, unabhängiges und unparteiisches Rechtssystem importiert werden könne.
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Er müsse aber auch diejenigen enttäuschen, die am Status-quo festhalten wollten und Veränderungen fürchteten. Es wird Veränderungen geben, aber sie werden schrittweise, durchdacht und in Etappen vorgenommen.
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Medwedews Gegner sind reich - und korrupt
Medwedew ist sich allerdings auch klar, dass es Widerstand gegen seine Reformrichtung geben wird seitens einflussreicher Gruppen käuflicher Beamter und Unternehmer, die nichts unternehmen.
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Dieser Personenkreis habe sich gut eingerichtet, sie haben alles, sagt er über seine Gegner: Sie wollen bis ans Ende aller Zeiten Gewinne aus den Überresten der sowjetischen Industrie pressen und die Naturschätze verhökern, die uns allen gehören. Sie schaffen nichts Neues, sie wollen keine Entwicklung und fürchten sie. Aber die Zukunft gehört nicht ihnen, so das Medwedew-Manifest. Sie gehört uns.
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Der Schluss des Textes klingt dann auch schon wie ein Kampfaufruf: Wer werden handeln. Geduldig, pragmatisch, folgerichtig, abgewogen. Wir handeln jetzt, morgen und übermorgen. Wir überwinden die Krise, die Rückständigkeit und die Korruption. Wir schaffen ein neues Russland. Vorwärts, Russland!
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