Montag, 12.02.2007
Kalter Krieg? Putins stramme Münchner Rede auf DeutschSt. Petersburg. Die Rede von Wladimir Putin am Samstag auf der Sicherheitskonferenz in München hat gehöriges Aufsehen erregt: Putin griff die USA hart an, weil sie anderen Ländern völkerrechtswidrig ihr System aufzwängen, Gewaltanwendung in der Außenpolitik dominieren lassen und eine globale Vorherrschaft anstrebten. Hier Auszüge im Wortlaut.
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Auch die OSZE bekam in der Rede als vulgäres Instrument ihr Fett weg.
Wesentliche (aber nicht alle) Passagen der Rede wurden jetzt von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti ins Deutsche übersetzt.
Damit unsere Leser selbst entscheiden können, ob Wladimir Putin hier wirklich den Kalten Krieg neu heraufbeschwor oder, wie man es in Russland sieht, nur Tatsachen aussprach, über die man in Westeuropa aus Vasallen-Treue zur USA lieber betreten schweigt, bringen wir hier den von RIA Novosti verbreiteten Text ohne weitere redaktionelle Bearbeitungen:
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In seiner knapp 30-minütigen Rede stellte Russlands Staatschef fest, dass derzeit das Rechtssystem der USA anderen Ländern aufgezwungen werde. "Einzelne Normen, aber auch das gesamte Rechtssystem eines einzelnen Staates, nämlich natürlich der USA, hat die nationalen Grenzen überschritten und wird in allen Sphären - in Wirtschaft und Politik sowie im humanitären Bereich - anderen Ländern aufgezwungen", erklärte Putin. "Wem könnte das gefallen?"
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Zugleich betonte Putin, dass Russland und die USA niemals mehr Gegner oder Feinde werden. Trotz vieler Meinungsverschiedenheiten betrachtet er US-Präsident George W. Bush als seinen Freund und anständigen Menschen, mit dem man sprechen und sich auch einigen kann.
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Die Dominanz des Gewaltfaktors in der internationalen Politik provoziert ein Wettrüsten, und die Versuche, eine unilaterale Welt durchzusetzen, führen zu neuen Konflikten, so Putin.
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"Niemand mehr fühlt sich in Sicherheit, niemand mehr kann sich hinter der Schutzmauer des Völkerrechts stehen", betonte er. "Eine solche Politik katalysiert das Wettrüsten. Die Dominanz des Gewaltfaktors lässt einige Länder zwangsläufig, nach dem Besitz von Massenvernichtungswaffen trachten."
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"Die UNO soll weder von der Nato, noch von der Europäischen Union ersetzt werden. Sobald die UNO die Kräfte der internationalen Völkergemeinschaft auch tatsächlich vereinen wird, die wirklich in der Lage sind, auf Ereignisse in einzelnen Ländern zu reagieren, und sobald wir die Vernachlässigung des Völkerrechts überwinden, kann sich auch die Situation ändern", sagte Putin.
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Andernfalls werde die Situation in die Sackgasse laufen und sich die Zahl schwerer Fehler vermehren.
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"Man muss darauf hinarbeiten, dass das Völkerrecht sowohl in der Auffassung, als auch in der Anwendung der Normen einen universellen Charakter hat", betonte er. "Die Gewaltanwendung muss aber eine wirklich außerordentliche Maßnahme sein wie die Anwendung der Todesstrafe in den Rechtssystemen einiger Staaten."
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Im Gegenteil könne man heute aber eine Situation beobachten, wo sich die Länder, in denen die Todesstrafe für Mörder und sonstige gefährliche Straftäter verboten ist, leicht zur Teilnahme an Militäroperationen entschließen, die sich kaum als legitim bezeichnen lassen und bei denen tausende Unschuldigen sterben.
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"Es entsteht die Frage: Können wir denn den verschiedenen inneren Konflikten in einzelnen Ländern, Handlungen von autoritären Regimes und Tyrannen sowie der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen teilnahmslos und willenlos zuschauen? Natürlich nicht. Haben wir aber Mittel, dem Widerstand zu leisten? Natürlich."
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Als ein Beispiel dafür nannte er den friedlichen Übergang zur Demokratie in Russland. "Immerhin ist eine friedliche Transformation des Sowjetregimes zustande gekommen. Eine friedliche Transformation - und was für eines Regimes! Mit was für einer Menge an Waffen, einschließlich der Kernwaffen. Warum muss man denn jetzt bei jeder Gelegenheit bomben und schießen? Fehlt es uns denn beim Ausbleiben der Bedrohung einer gegenseitigen Vernichtung an politischer Kultur und am Respekt vor Demokratie und Recht?"
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Darauf angesprochen, ob Russland seine militärische Gewalt ohne eine Uno-Sanktion anwenden würde, sagte er: "Wir werden stets strikt im Rahmen des Völkerrechts handeln."
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Putin verwies darauf, dass in Übereinstimmung mit der UNO-Charta Sanktionen des Sicherheitsrates für Friedensoperationen erforderlich sind. "Die UNO-Charta enthält aber auch einen Artikel über das Recht auf Selbstverteidigung, und hierbei braucht man keine Sanktionen."
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Der Präsident versicherte, dass Moskau auch in Zukunft, gestützt auf sein Potential bei realer Einschätzung seiner Möglichkeiten, einen unabhängigen Kurs in der Außenpolitik betreiben werde. "Russland ist ein Land mit einer tausendjährigen Geschichte. Es hatte praktisch immer das Privileg, eine unabhängige Außenpolitik zu betreiben. Wir haben auch jetzt nicht vor, von dieser Position abzuweichen."
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"Natürlich möchten wir es mit verantwortungsbewussten und selbständigen Partnern zu tun haben, mit denen wir gemeinsam an der Herstellung einer gerechten und demokratischen Weltordnung arbeiten und darin Sicherheit und Gedeihen nicht für Auserwählte, sondern für alle gewährleisten könnten."
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Nach seiner Meinung müssten die führenden Länder an einem gerechteren System der Wirtschaftsbeziehungen in der Welt arbeiten. "Sonst wird mit der einen Hand Wohltätigkeit betrieben, während mit der anderen nicht nur die wirtschaftliche Rückständigkeit konserviert, sondern auch Profit eingetrieben wird", stellte er fest. Die entstehenden sozialen Spannungen in den rückständigen Regionen führen unweigerlich zu einer Zunahme an Radikalismus und Extremismus, sie nähren Terrorismus und lokale Konflikte.
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"Wenn das aber im Nahen Osten geschieht, mit seiner zugespitzten Vorstellung von der Außenwelt als einer ungerechten Welt, so entsteht das Risiko einer globalen Destabilisierung."
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"Natürlich müssen die führenden Länder der Welt diese Bedrohung sehen und dementsprechend ein demokratischeres und gerechteres System der Wirtschaftsbeziehungen in der Welt herstellen - ein System, das allen eine Chance und Entwicklungsmöglichkeiten bieten würde."
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Außerdem kritisierte der russische Staatschef scharf die Tätigkeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
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"Es wird versucht, die OSZE in ein vulgäres Instrument für die Gewährleistung der außenpolitischen Interessen einer Gruppe von Ländern gegenüber einer anderen zu verwandeln", sagte Putin. "Auf diese Aufgabe wurde auch der bürokratische Apparat der OSZE gemünzt, der mit den Gründerstaaten in keiner Beziehung steht.
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Für diese Aufgabe wurde auch die Prozedur der Beschlussfassung und der Nutzung der sogenannten nichtstaatlichen Organisationen zugeschnitten, die formell zwar unabhängig sind, dafür aber zielbewusst finanziert werden und dementsprechend kontrollierbar sind."
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Der Präsident erinnerte daran, dass die OSZE im humanitären Bereich gemäß den grundlegenden Dokumenten berufen ist, den Mitgliedsländern der Organisation auf deren Bitte Unterstützung bei der Einhaltung der internationalen Normen auf dem Gebiet der Menschenrechte zu leisten. "Das ist eine wichtige Aufgabe. Wir unterstützen sie. All das bedeutet aber keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten, von einem Vorschreiben diesen Ländern, wie diese zu leben und sich zu entwickeln haben, ganz zu schweigen."
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Nach seiner Auffassung trägt eine solche Einmischung keinesfalls zur Entstehung wahrhaft demokratischer Staaten und führt diese Länder später in eine politischen und wirtschaftliche Instabilität.
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"Wir rechnen damit, dass sich die OSZE von ihren unmittelbaren Aufgaben leiten lassen und ihre Beziehungen mit den souveränen Staaten auf der Grundlage des Respekts, des Vertrauens und der Transparenz gestalten wird", betonte er.
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Von einem Konferenzteilnehmer nach einer Stellungnahme zur Situation um das Kosovo gefragt, erklärte Putin, Russland werde nur eine solche Entscheidung unterstützen, die alle Seiten zufrieden stellen würde.
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"Was mit dem Kosovo geschehen wird - das können nur die Kosovo-Albaner und Serben wissen. Man soll nicht den Allmächtigen spielen und alle Probleme für alle Völker lösen. Wir können nur Bedingungen schaffen und Menschen helfen, mit ihren Problemen klar zu kommen."
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Er plädierte dafür, dass den Seiten keine Vereinbarungen aufgezwungen werden, widrigenfalls wird die Situation in eine Sackgasse getrieben. "Sollte sich einer der Teilnehmer dieses komplizierten Prozesses zwischen diesen Völkern als beleidigt oder erniedrigt fühlen, wird das Jahrhunderte dauern", betonte er.
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"Wir werden uns gerade an dieses Prinzip halten. Wenn wir sehen werden, dass eine der Seiten mit den vorgeschlagenen Wegen für die Lösung der Situation eindeutig nicht zufrieden ist, werden wir eine solche Entscheidung nicht unterstützen." (ld/rufo)
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