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Djed Moros kann zufrieden sein (Foto: Archiv/.rufo)
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Freitag, 08.01.2010

Kulturtrend-Studie: Das grösste Neujahrsloch der Welt

Moskau. Einige wenige russische Medienmacher haben es besonders schwer - nämlich die, die ihr Publikum weiter unterhalten müssen. Alle anderen machen den allgemeinen, grossen russischen Winterschlaf von (bisher) Mitte Dezember bis Mitte Januar mit.

Nur selten wird die Nachrichtenstille dieser Tage - bei anhaltendem Schneetreiben und Dauerfrost - durch platzende Fernheizungsrohre oder geplatzte Ölverhandlungen zwischen Minsk und Moskau unterbrochen.

Zeitungen erscheinen erst wieder nach dem 10.Januar. Die Börse, Zentralbank und Behörden haben geschlossen.

Kulturtrend: Winterstarre des öffentlichen Lebens


Die Winterstarre des öffentlichen Lebens in Russland wird seit Jahrzehnten allmählich aber stetig immer tiefer.

Sie beginnt alljährlich schon kurz vor dem West-Weihnachtsfest, das in Russland offiziell eigentlich gar nicht begangen wird. Tatsächlich aber setzen überall schon Mitte Dezember die Serien von Betriebsfeiern ein, die jede normale Produktion ausser der von Trinksprüchen gegen Null bringen.

Gefeiert werden muss ab Mitte Dezember, weil man rund um das (offiziell ignorierte) West-Weihnachten natürlich auch in den Urlaub möchte. Schliesslich fühlt man sich ja auch als ein Teil der Weltgemeinschaft, besonders dann, wenn man west-orientiert und modern sein will.

Ausserdem kann man im Westurlaub ganz nebenher praktischerweise auch mal nach den eigenen Konten schauen oder für die Kinderchen einen Internatplatz aussuchen. Man muss ja an die Zukunft denken - und die liegt nur zum Teil im eigenen Land.

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Noch mehr als das West-Weihnachten muss das Ost-Fest geachtet werden


Andererseits aber ist man natürlich auch Russe und achtet die heimischen Traditionen wie auch den russisch-orthodoxen Kirchenkalender, der bekanntlich um 13 Tage verschoben ist.

Man muss also auch das russisch-orthodoxe Weihnachtsfest begehen - und natürlich auch das "Alte Neue Jahr" am 14.Januar (mit entsprchender Feier am 13.Januar) nach Gebühr ernst nehmen.

Wenn man aber dieses ordentlich begangen hat, dann muss man anschliessend (ebenfalls nach alter russischer Tradition) erstmal mindestens einen Tag lang ausschlafen.

Daraus ergibt sich als Länge der allgemeinen Winterstarre der Zeitraum vom 15.Dezember bis zum 15.Januar.


Das, was sich als inoffzieller, aber allgemein akzeptierter Brauch in den letzten 20 Jahren naturwüchsig als spontaner Trend entwickelte, wird in den letzten Jahren noch dadurch verfestigt, dass die Duma einen allgemeinen Neujahrs- und Weihnachtsurlaub vom 31.Dezember bis zum 10.Januar verhängte.

Politik, Kirche und Staatsverdrossenheit als natürliche Verbündete bei der Ausweitung der Winterstarre


Das erlaubt es auch der russisch-orthodoxen Kirche, das eigentlich schon längst vergessene bzw nicht mehr praktizierte christliche Weihnachtsfest zu reanimieren und den eigenen Einfluss auszubauen.

So treffen und ergänzen sich vorzüglich das institutionelle Interesse der Russisch-Orthodoxen Kirche (schließlich die tragende Ideologie-Säule des russischen Staates) einerseits mit der immer zunehmenden Staatsverdrossenheit, dem Desinteresse der breiten russischen Massen an Politik und öffentlichem Leben andererseits.

Wobei interessanter- und absurderweise die real existierende russische Politik mit der Politik- und Staatsverdrossenheit der Menschen sehr gut leben kann: sie mischen sich wenigstens nicht so sehr ein. Und wer im Neujahrsloch das Familienleben oder den Suff pflegt, der demonstriert auch nicht im Schneetreiben geben wichtige politische Projekte.

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Der Vierte im Bunde: das Weihnachtsgeschäft - sorgt für Ausweitung nach vorne


Dabei hat der russische Winterschlaf auch noch die Tendenz, von Jahr zu Jahr früher einzusetzen. Dabei folgt der frühestmögliche Zeitpunkt des russischen Weihnachtspausenbeginns wiederum allmählich dem West-Trend, das Weihnachtskonsumgeschäft nach Möglichkeit schon direkt nach Ostern beginnen zu lassen.

Jedenfalls erscheinen Weihnachtsdekoration und Schaufensterauslagen, die es zu Sowjetzeiten nur sehr knapp und spät gab, in den letzten Jahren in Moskau und St.Petersburg immer früher. Und der früher eher bescheidene Weihnachtskonsumrausch weitet sich in Qualität und Quantität in Russland immer weiter aus.

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Die Schlussfolgerung daraus ist, dass in etwa zehn Jahren die russische Weihnachts- und Neujahrspause (eine gelungene Kultursynthese von West- und Ost-Traditionen, sozusagen Weihnachts-Fusion) bereits Anfang Dezember beginnen und erst Ende Januar enden wird.

Ausserdem könnte das Grosse Neujahrsloch auch noch in Richtung Ostern bzw. Weltfrauentag am 8.März erweitert werden, da ja auch das bhuddistische, chinesische, vietnamesische oder kurdische Neujahrsfest integriert werden müssen.

Das Ergebnis entspricht jedenfalls uralten russischen Traditionen, kombiniert mit modernsten Innovationstechniken und globaler Integration: Russland hat jetzt schon das grösste Neujahrsloch der Welt.


Russlands zivilisatorischer Beitrag zur Rettung der Welt vor der Durcheffektivierung der Arbeits- und Lebenszeit.

Und überhaupt eine ideale Zeit, blühenden Unsinn zu verzapfen.

Gisbert Mrozek, Moskau



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