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Das Alpha-Tier Putin hoch zu Roß. US-Botschaftsberichte aus Moskau enthüllen nichts Neues - soweit WikiLeaks sie veröffentlichte (Foto: Archiv) |
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Montag, 29.11.2010
Wikileaks: Nichts richtig Neues aus dem Kreml für ObamaMoskau. Grosse Enthüllungen aus dem Innenleben des Kremls enthalten die US-Depeschen kaum. Putin als "Alpha-Tier" und "Rudelführer" und Medwedew als "blass" einzustufen, könnte aus russischen Zeitungen abgeschrieben sein.
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Die Beschreibungen der russischen Politik, die US-Diplomaten intern nach Washington lieferten, wirken in den bisher bekannten Teilen eher wie ein Überblick über russische Medienberichte. Auch in russischen Medien wird Wladimir Putin als starker Mann und Drahtzieher im Hintergrund beschrieben, während Medwedew politische Geisel Putins sei.
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Nicht besonders originell ist auch die Einstufung Putins als Batman und Medwedews als Batman-Helfer Robin. Interessanter vielleicht die Beschreibung der Konkurrenz nicht zwischen Putin und Medwedew, sondern zwischen den jeweiligen Teams im Kreml und im Weissen Haus. Aber auch dieser Widerspruch gehört zu den Konstanten der russischen Politik und zum kleinen Einmaleins der Lagebeurteilung in Moskau.
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Der Hinweis, Putin sei zwar der mächtigste Machthaber in Moskau, aber auch seine Möglichkeiten würden manchmal im Labyrinth der Börokratie blockiert, ist vielleicht ein neuer Gedanke für Washington, aber keine Neuigkeit für Moskau.
Es gibt ein paar Details, die als Illustration interessant wirken. So der Bericht aus Baku, wo der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew kolportiert haben soll, Medwedew müsse bei wichtigen Entscheidungen immer erst um Genehmigung nachfragen.
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So auch die Erzählung, Medwedews Frau Swetlana lege schwarze Listen von Politikern an, die ihrem Mann nicht die gebührende Achtung erwiesen hätten.
Der Kreml lehnte es bisher ab, die WikiLeaks-Dokumente zu kommentieren. Gegenüber der Wirtschaftszeitung Kommersant sagte ein Kreml-Berater allerdings, russische Diplomaten drückten sich im internen Schriftwechsel oft nicht weniger unverblümt aus.
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Putin-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, man müsse sich ersteinmal anschauen mit welchem Wort Putin von den US-Diplomaten bezeichnet würde (zur Auswahl gibt es alpha-dog oder alpha-rude) und wer dies geschrieben habe. Erst dann könne man vielleicht kommentieren.
Den Kreml erschüttert haben die WkiLeaks-Dokumente jedenfalls nicht.
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Zu den Ladenhütern der Russland-Interpretation gehört auch, dass es Verbindungen zwischen russischer Mafia und russischen Geheimdiensten gibt. Dass Putin und Berlusconi Privatgeschäfte eingefädelt hätten, bleibt auf der Gerüchteebene.
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So werfen die veröffentlichten US-Botschafts-Depeschen aus Moskau (ab 2004) eigentlich vor allem ein bezeichnendes Licht auf das Niveau der Lagebeurteilung durch die US-Diplomatie unter Bush und Obama.
Man könnte fast Bundeskanzler Helmut Schmidts Spruch (Was brauche ich den BND, wenn ich die Neue Züricher Zeitung lesen kann) leicht modifizieren:
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Was braucht Obama die Botschaft in Moskau, wenn er viel billiger im Internet alles nachlesen lassen kann.
Es könnte allerdings sein, dass WikiLeaks doch nicht allwissend ist. Oder nicht alles veröffentlicht.
Gisbert Mrozek, Moskau
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Paulsen-Consult 02.12.2010 - 16:48
Mag sein, dass in Moskau niemand erschüttert ist.
Allerdings finde ich den Ausdruck für den russische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, es handele sich um Lippenstift auf ein Schwein, schon sehr deutlich.
Die Feststellung, dass Medwjedew über keinerlei Hebel verfügt, um Reformen umzusetzen ist ebenfalls niederschmetternd. In Insiderkreisen gilt er als \"Manilow\", eine Romanfigur, die große Pläne hat, aber keine Chance sie umzusetzen.
Schließlich findet man in Wikileaks noch einiges über den immensen Einfluss der russischen Mafia auf den Kreml und noch mehr auf die darunterliegenden Verwaltungsebenen. Für Moskau vielleicht nichts neues, für die westliche Welt aber eine weitere Desillusionierung. Mögen die Russen ruhig darüber lachen, wir lachen nicht.
Ein schwacher Trost, dass es in Ksachstan, wo gerade die OSZE tagt, noch schlimmer ist. Peinlich aber auch hier, wie unkritisch Merkel mit dem Kasachischen Präsidenten umgeht.
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