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Russischer Panzer rollt, georgischer Panzer qualmt - militärisch gesehen hat der Südossetien-Konflikt einen eindeutigen Sieger (foto: vesti.ru) |
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Freitag, 15.08.2008
Kaukasus: Krieg, Lüge und Recht auf SelbstbestimmungGisbert Mrozek, Moskau. Die Schlacht um Südossetien hat Russland gewonnen, die Schlacht um die Weltmeinung verloren. So gut wie sicher wird eine neue Konfrontation folgen. Europa könnte strategisch aushelfen.
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Moskau hat den Informationskrieg weltweit bisher nicht wegen der Raffinesse amerikanischer PR-Strategen verloren, sondern wegen des gewissenlos dummen Umgangs mit der Wahrheit durch russischer Medienmacher - und vor allem aber deswegen, weil die eigentlichen Subjekte des Konflikts noch nicht auf der Bühne präsent sind. Aber darüber weiter unten.
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Der georgische Überraschungsangriff kam so schnell und die russische Reaktion so direkt und so massiv, dass viele im Westen erst hinschauten, als Georgien schon nicht mehr der Aggressor, sondern schon der Geschlagene war. Und russische Truppen im Vormarsch. Das war der erste und bleibende Eindruck für viele Menschen im Westen.
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Saakaschwili wollt am 8.8.08 in Zchinwali auf dem Siegertreppchen stehen
Trotzdem scheint sich allmählich herumzusprechen, dass Michail Saakaschwilieigentlich versucht hatte, an einem historischen Datum sein zweitgrößtes Problem mit einem rücksichtslosen Gewaltakt endgültig zu lösen.
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Saakaschwili wollte am Freitag, dem 8.8.2008, als in Peking die Olympischen Spiele eröffnet wurden, vor den rauchenden Ruinen des Schauspielhauses von Zchinwali stolz auf dem Siegertreppchen stehen - während die russischen Panzer sich vor dem gesprengten Grenztunnel stauen.
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Pläne mit den USA abgestimmt?
Dafür hatte Saakaschwili seit 2004 zielstrebig eigentlich alles getan. Seine Armee mit amerikanischen Waffen und Militärberatern auf- und ausgerüstet, noch einmal vor zwei Wochen bei großen georgisch-amerikanischen Militärmanövern unter Beteiligung von 1.000 US-Soldaten den Ausbildungsstand geprüft, zugleich mit Condoleeza Rice (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) den politischen Aufmarschplan besprochen, schließlich massiv Truppen und Flächenfeuerwaffen vor Zchinwali konzentriert. Und dann einfach losgeschlagen, aber eben doch nicht überraschend genug.
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Verständlich, dass dann in Tiflis die Panik ausbrach, denn die russischen Panzer hätten eigentlich tun können, was Saakaschwili selbst vorhatte. Die endlosen Falschmeldungen über die russischen Panzer, die nach Tiflis rollen, waren teils Ausdruck der eigenen Panik, teils aber auch bewusst eingesetzte Propagandatricks, um von den eigenen Schandtaten abzulenken. Haltet den Dieb!
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Haltet den Dieb! ...
Verständlich auch, dass im Westen diese Falschmeldungen begierig aufgegriffen und verbreitet wurden. Den Wahrheitsgehalt konnte sowieso niemand überprüfen, aber sie entsprachen den eigenen Vorstellungen von der Lage am besten. Und von manchem - vor allem in Osteuropa - wurden diese Meldungen wohl auch gezielt zur Verstärkung der konfrontativen "Containment"-Stimmung gegenüber Russland eingesetzt.
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... und die panischen Folgen der Autosuggestion
Schnell wurden eben diese Politiker auch Geiseln der selbstproduzierten virtuellen Gefahr dieses russischen Phantom-Durchmarsches: Der polnische Pilot des Flugzeuges, in dem die Präsidenten Polens, der Ukraine und der baltischen Republiken saßen, weigerte sich, in Tiflis zu landen und flog nach Baku.
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Michail Saakaschwili wiederum erschrak sich so sehr vor einem in der Ferne vorbeifliegenden Flugzeug, dass er in Panik so schnell davonrannte, dass seine Leibwächter ihn nur mit Mühe einholten, ihn zu Boden und sich selbst über ihn warfen.
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Michail Saakaschwili geriet sichtlich ins Schwitzen (foto: vesti.ru) |
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Saakaschwilis Sprinterqualitäten
Ein Kameramann filmte in aller Ruhe und Süffisanz den peinlichen Zwischenfall. In Russland fand der Clip natürlich schnell Verbreitung. Saakaschwili hätte mit seinem Sprinterqualitäten eigentlich besser doch nach Peking fahren sollen, hieß es schadenfroh.
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Zur selben Zeit bemühten sich in Moskau Politiker und Militärsprecher aus allen Kräften, wenn auch unnötigerweise, die Wahrheit zu verbiegen. Obwohl bekanntlich Lügen kurze Beine haben.
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Zwei überflüssige Lügen aus Zchinwali ...
Die Stadt Zchinwali sei "wie Stalingrad dem Erdboden gleichgemacht", verkündeten Militärsprecher in Moskau. Dabei ist dies, kaum dass die ersten Bilder aus Zchinwali bekannt wurden, eine offensichtliche, grobe und unhaltbare Lüge. Zchinwali ist durch den georgischen Artilleriebeschuss und die anschließenden Kämpfe in der Stadt stark beschädigt, aber nicht "dem Erdboden gleichgemacht".
Sie sieht überhaupt nicht so aus wie Stalingrad, oder wie Dresden oder Grosny nach dem Krieg.
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Die Zahl der Opfer des georgischen Überfalls wird offiziell mit 1.600 angegeben. Zeitweise wurde die Zahl 2.000 genannt. Beide Zahlen scheinen maßlos übertrieben und werden wohl kaum bewiesen werden können. Bisher gibt es keinerlei Beweise, keine Bilder und noch nicht einmal Augenzeugenberichte, sondern nur Erzählungen darüber, was andere angeblich gesehen haben wollen. Es geht dabei hier nicht darum, das Verbrechen des Feuerüberfalls zu mindern.
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200 Tote Bürger Zchinwalis (das waren die ersten Angaben) und einige hundert zerstörte Häuser sind schon schlimm genug. Es geht aber darum, dass es eigentlich nötig wäre, über das Verbrechen des georgischen Überfalls zu diskutieren, statt über Moskauer Lügen.
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... und die zielstrebige Selbstdemontage der eigenen Glaubwürdigkeit
Mit diesen beiden Lügen hatten die Vertreter des Generalstabs in Moskau (und auch Vertreter Südossetiens) schon sich selbst und der Sache schwer geschadet, da begann die zweite Runde des Informationskrieges. Regelmäßig wurde aus Georgien gemeldet, russische Truppen hätten diese oder jene Stadt eingenommen - und ebenso regelmäßig wurde in Moskau entschlossen dementiert. "Russische Soldaten waren nie in Gori, Poti, Senaki ...".
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Bis dann plötzlich in Moskau doch eingeräumt wurde, es seien bei Gori, Poti und Senaki riesige Waffenlager entdeckt worden. Soldaten seien schon seit drei Tagen dabei, diese Lager zu bewachen, zu sortieren und zu protokollieren. Genau genommen haben diese Soldaten natürlich nicht die genannten Städte besetzt, sondern (angeblich) nur Militärobjekte.
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Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht
Aber diese Erklärung kam erstens viel zu spät und zweitens entwertet sie alle vorherigen Dementis und stellt noch einmal die Glaubwürdigkeit aller künftigen offiziellen Moskauer Lageberichte in Frage. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
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Wir hatten schon fast vergessen, welche Informationspolitik es rund um Tschetschenien, die Kursk und andere Dramen gegeben hatte. Jetzt wurden wir noch einmal daran erinnert. Dieser Schaden ist fast irreparabel.
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Darum wurde die erste Schlacht um Südossetien zwar gewonnen, aber die Schlacht um die Weltmeinung nicht. Aber es gibt noch einen, noch tiefer liegenden Grund für die Medienschlappe.
Fortsetzung: Russland - Schutzmacht für regionale Selbstbestimmung?
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