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Georgiens Armee ist angeblich wieder aus Südossetien abgerückt (Foto: newsru) |
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Sonntag, 10.08.2008
Georgien streckt die Waffen Abchasien wird heißMoskau. Die Kämpfe in Südossetien scheinen dem Ende entgegen zu gehen, doch der Konflikt zieht Kreise: Georgien sieht sich im Krieg, Abchasien attackiert im Kodorital, die Schwarzmeerflotte ist aufgefahren.
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Die Lage im Kriegsgebiet ist nach wie vor undurchsichtig und die Informationen von dort meist diffus und parteiisch. Aber soviel ist nach drei Tagen Südossetien-Krieg klar: Die in Ruinen liegende Hauptstadt Zchinwali ist wieder in der Hand der Südosseten und der russischen Truppen. Auch von den umliegenden Hügeln seien die Georgier so gut wie vertrieben, erklärte Eduard Kokoity, der Präsident des international nicht anerkannten Kleinstaates.
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In anderen Teilen der Provinz wurde am Sonntag weiterhin gekämpft. Der georgische Sicherheitsrats-Vorsitzende Alexander Lomaja bestätigte gegen Mittag, dass sich die Georgier aus Zchinwali zurückgezogen hätten, während Russland gegen sein Land eine totale Aggression zu Land, in der Luft und zur See" unternehme.
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Georgien verkündet einseitig Waffenrufe
Am Abend überreichte die georgische Regierung der russischen Botschaft dann eine Note, wonach alle georgischen Einheiten aus der Konfliktzone abgezogen seien und auf Präsidenten-Befehl das Feuer eingestellt hätten. Man sei zu sofortigen Verhandlungen bereit. Das russische Außenministerium bestätigte den Empfang, erklärte aber, dass der Beschuss seitens der Georgier nicht aufgehört habe.
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Zchinwali: Drei Tage Horror im Keller
Am Sonntag trauten sich in Zchinwali die Einwohner das erste Mal seit drei Tagen wieder aus den Kellern. Dort hatten sie während des massiven Angriffs der Georgier in der Nacht auf Freitag Deckung gesucht viele ohne Essens- und Wasservorräte und ohne die Möglichkeit, Verletzte richtig zu versorgen. Im Keller des stark beschädigten Krankenhauses von Zchinwali wurden in den letzten Tagen 150 Verletzte unter feldmäßigen Bedingungen einquartiert und so gut es ging behandelt.
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Die Südosseten sprechen von 2.000 Toten auf ihrer Seite. Viele Häuser sind zerstört oder unbewohnbar. Frauen, Kinder und alte Leute möchten die Südosseten deshalb ins sichere Nordossetien bringen.
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Der Fluchtweg ist frei, aber gefährlich
Doch die Evakuierung ist nach wie vor gefährlich: Die einzige Straßenverbindung nach Norden ist zwar in der Hand der eingerückten russischen Armee, wird aber weiterhin von georgischen Scharfschützen gelegentlich unter Feuer genommen, berichteten russische Medien.
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Dennoch sind nach russischen Angaben bisher 23.000 Flüchtlinge über die Grenze gekommen, davon 6.000 Kinder. Sofern sie nicht bei Verwandten unterkommen, wurden sie auf Flüchtlingslager im weiten Umkreis verteilt.
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Georgien sieht sich im Krieg mit Russland - Russland verneint
Georgien klagt unterdessen Russland an, den Krieg über Südossetien auf sein ganzes Staatsgebiet ausgeweitet zu haben: Es hätte Luftangriffe auf 15 verschiedene Orte gegeben. Präsident Michail Saakaschwili verhängte für zwei Wochen das Kriegsrecht über sein Land.
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Am Sonntag warfen russische Jets Bomben auf einen Militärflughafen nahe der Hauptstadt Tiflis. Weitere Angriffe galten nach georgischen Angaben am Samstag den Schwarzmeerhafen Poti, der Ölpipeline von Aserbaidschan in die Türkei sowie Telekommunikations-Einrichtungen. In der Stadt Gori etwa 30 Kilometer südlich von Zchinwali wurde auch ein Wohnviertel getroffen: Nach Angaben der Agentur Reuters kamen dabei fünf Zivilisten ums Leben.
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Reale Verlustzahlen bisher unter Verschluss
Die russische Armee bestätigte bisher den Tod von 12 Soldaten, 150 seien verletzt worden. Zwei Flugzeuge, darunter ein Tu-22-Bomber, seien verloren gegangen. Georgien spricht von bis zu zwölf Abschüssen und nennt offiziell keine Zahlen über eigene Verluste.
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Die russische Militärführung erklärte, ihre Operationen auf das einstige Zuständigkeitsgebiet der 1992 gebildeten GUS-Friedenstruppe für Südossetien zu beschränken und im Hinterland nur rein militärische Ziele anzugreifen. Wir führen keinen Krieg gegen Georgien, beteuert man in Moskau immer wieder.
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In der Tat gibt es keine Berichte darüber, dass Russland seine Lieferungen an Gas, Öl oder Strom an Georgien eingestellt hätte. Der südliche Nachbar solle lediglich zum Frieden gezwungen werden und der Status quo in der quasi-unabhängigen Teilrepublik wieder hergestellt werden.
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Moskau will von Tiflis schriftlichen Gewaltverzicht
Russland fordert als Vorbedingungen für Verhandlungen über eine Konfliktlösung, dass Georgien schriftlich erklärt, in Zukunft in Südossetien auf Gewalt zu verzichten, erklärte Vizeaußenminister Grigori Karasin in Moskau. Georgien beharrt seinerseits darauf, dass Russland seine militärischen Operationen einstellt, bevor man an den Verhandlungstisch gehen könnte.
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Der französische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner wollte noch am Sonntag nach Tiflis fliegen, um Friedensgespräche in die Wege zu leiten. Am Montag soll er nach Moskau weiterreisen.
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Krisenherd Nr. 2: Abchasiens Kodori-Tal
Unterdessen schiebt sich Abchasien, die zweite und weit größere abtrünnige Teilrepublik Georgiens, immer mehr ins Blickfeld: Zum einen rückte die abchasische Armee in die bisher nur von russischen Blauhelmen kontrollierte Zwölf-KilometerPufferzone an der Grenze zu Georgien ein. Zum anderen begann sie eine Offensive gegen das Obere Kodori-Tal, das zwar zu Abchasien gehört, aber bislang unter Kontrolle der Regierung in Tiflis stand.
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Abchasiens Präsident Sergej Bagapsch kündigte an, dieses Gebiet dauerhaft besetzen zu wollen. Dabei wurden auch Luftangriffe geflogen, wobei unklar blieb, ob es sich um russische Flugzeuge oder jene wenigen Maschinen handelte, über die die Abchasen selbst verfügen.
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Russischer Flottenaufmarsch vor Abchasien - oder Georgien?
Auch fuhr die russische Schwarzmeerflotte vor der Küste Abchasiens auf. Russlands Außenministerium bezeichnete dies als vorbeugende Maßnahme, um eine Wiederholung der Geschehnisse in Südossetien zu verhindern. Laut Bagapsch hätte es am Vortag vor der Küste ein Scharmützel zwischen Schiffen der georgischen Marine und abchasischen Booten gegeben. Anderen Quellen zufolge war es die russische Flotte, die die Georgier mit Sperrfeuer zum Abdrehen zwang.
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Die russische Militärführung dementierte Darstellungen aus Tiflis, es handele sich um eine Seeblockade Georgiens: Unsere Schiffe unternehmen keinerlei Handlungen gegen Schiffe oder georgische Einrichtungen an der Küste, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Doch auch in Russland hält man es für wahrscheinlich, dass die Flotte Waffenlieferungen zur See an Georgien verhindern wird, wenn der Krieg länger anhalten sollte.
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Die Ukraine droht Russland mit Liebesentzug
Allerdings kann es dann sein, dass sie dabei selbst operative Schwierigkeiten bekommt: Die Georgien nahe stehende Führung der Ukraine erklärte, sie behalte sich vor, russischen Kriegsschiffen die Rückkehr in die Flottenbasen auf der Krim zu verweigern, bis der Konflikt beigelegt sei. Dies entspreche internationalem Recht und solle verhindern, dass man in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen werde, so das Kiewer Außenministerium.
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Die Stützpunkte in Sewastopol und Umgebung stehen Russland gemäß eines Mietvertrages noch bis 2017 zur Verfügung. Daneben verfügt Russland allerdings noch über eine große Marinebasis in Noworossijsk.
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