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30-03-2005 Schlagseite

Vorbeugende Gegenrevolution gegen Meuterei-Virus

Von Alexej Dubatow, Moskau. Zeitungen sind voller Spekulationen darüber, in welchem GUS-Land die nächste „Blumenrevolution“ einschlägt. Ein Albtraum wäre ein Umsturz in Russland, das frei nach einer Formulierung des US-Kommunisten John Reed bereits mindestens zweimal, 1917 und 1991, „die Welt erschütterte“. Der Kreml rüstet vorbeugend zur „Gegenrevolution“.

Die Idee stammt vom kremlnahen „Polittechnologen“ Gleb Pawlowski, der im Jahr 2000 die Wahl Wladimir Putins zum Präsidenten mit der Parteigründung des „Einigen Russland“ und anderen unkonventionellen Schachzügen sicherte.

Ende 2004 scheiterte Pawlowski aber in der Ukraine als Wahlkampfmanager des designierten Nachfolgers von Altpräsident Leonid Kutschma, des Premierministers Viktor Janukowitsch. Daraus glaubt er nun, Konsequenzen gezogen zu haben.

Bei www.aktuell.RU
• Luschkow warnt vor neuer Revolution (23.03.2005)
• Putin hat bei Tulpenrevolution in Bischkek gewonnen (25.03.2005)
• Nächste Revolution in Kasachstan? (28.03.2005)
• Neue Demos für und gegen Sozialreform in Russland (14.02.2005)

Schwerpunkte des Pawlowski-Plans

Schwerpunkte der „vorbeugenden Gegenrevolution“ sind laut Pawlowski die rechtzeitige Suche nach einem wählbaren Präsidentschaftsnachfolger und die Bereinigung der Parteienlandschaft. So lasse sich die Kontinuität des Systems waren, meint Pawlowski.

Zu diesem Zweck will Pawlowski eine ordentliche Flurbereinigung in der russischen Parteienlandschaft. Es soll durchaus Parteien für jeden Geschmack, Parteien die Linken, für die Rechten, für die Nationalisten, die Jugend etc. geben – aber keine Fundamentalopposition. Hie und da aufkommende Unzufriedenheit soll mit Finanzspritzen beigelegt werden. Geld wäre dank hoher Ölpreise genug da.

Russische Adressen neuer Revolutionen

Der Plan, der entfernt an westeuropäische„wehrhafte Demokratien“ erinnert, hat einen zentralen Schönheitsfehler. Der Bazillus der Meuterei greift nicht Zentralrussland, sondern seine nationalen Republiken an. Am vergangenen Wochenende waren in der Wolgarepublik Baschkirien 20 000 Menschen nahe dran, den Palast des Präsidenten Murtasa Rachimow zu stürmen.

In Inguschetien blockierten Panzer und Sonderpolizeieinheiten den Stadtkern in Nasran und verhinderten nur so eine Demonstration gegen den Präsidenten Murat Sjasikow, eine Kreatur Putins. Weitere Revolutions-Adressen sind Kalmückien, Nordossetien, Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien und Dagestan.

Bei www.aktuell.RU
• Keine Ossis und Wessis in der Exsowjetunion (08.12.2004)
• Gespenst der Kiewer Revolution geht in Moskau um (17.12.2004)
• Russland mag Putin nicht mehr richtig (01.03.2005)

In Russland bleibt Putin stur

Während sich Putin in Kirgisien zu Gesprächen mit der siegreichen Opposition bereit erklärte, blieb er in Russland selbst „unnachgiebig“. Warum er wenigstens den nordossetischen Präsidenten Alexander Dsassochow nach der Tragödie von Beslan nicht absetzte, blieb vielen ein Rätsel.

In Karatschajewo-Tscherkessien hatte der Schwiegersohn des dortigen Präsidenten sechs Geschäftskonkurrenten, darunter Abgeordnete des lokalen Parlaments umgebracht. Präsident Batdyjew sorgte für die Scheidung seiner Tochter von ihrem Mann und blieb weiter im Amt – mit stillschweigender Duldung des Kreml.

Überlebte Philosophie

Putin will offenbar keine Schwäche zeigen. Er hört nie - zumindest nicht sichtbar - auf die öffentliche Meinung und auf Bürgerproteste. So glaubt er wohl „Stabilität“ und Stärke zu wahren.

Es ist entweder ein gefährlicher Irrtum, oder eine völlig überlebte Philosophie. Rein symbolische Grenzen innerhalb der früheren Sowjetunion werden das Revolutionsvirus nicht aufhalten. Und wenn es die Randgebiete angefressen hat, wird es sich auch im eigentlichen Russland verbreiten.

(adu/.rufo)

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