Von Gisbert Mrozek, Moskau. Es steht bekanntlich fest: heute wählt Russland Putin. Über 50 Prozent Wahlbeteiligung scheinen gesichert. Die einen Wähler treibt das Verantwortungsbewusstsein, die anderen locken Torten und Rock-Festival-Karten, die mancherorts als Prämien für den Wahlgang ausgegeben werden. Und wenn das nicht reichen sollte, kann auch noch nachgeholfen werden. Aber wer ist eigentlich dieser Putin, der da gewählt wird ? Die finale Antwort auf die Frage "Who is Mr. Putin?" steht noch aus.

Für die anderen ist Putin dagegen ein Symbol des neuen Russlands. ein nüchterner, fitter Top-Manager, der den Zerfall aufhalten, Russland modernisieren und in die Zukunft führen kann. Der dafür dringend auch deutsches Geld und deutsches Know-how braucht.

Die einen werfen ihm alle politischen Todsünden dieser Welt vor: diktatorische und imperiale Gelüste, Personenkult, Knebelung der Presse, Völkermord an einem kleinen edlen Bergvolk.

Für die anderen ist Putin der Saubermann im Kreml, der endlich ausmistet, gegen Korruption und Vetternwirtschaft angeht. Die Oligarchen, die Mafia und tschetschenische Geiselgangster bändigt. Ordnung und Investitionssicherheit schafft und wenigstens ansatzweise für soziale Gerechtigkeit sorgt.

Viele in Westeuropa sind mit ihrem Urteil schon längst fertig. Denn natürlich verstösst Putin fortlaufend gegen allerlei Regeln der Political Correctness. Er hat wohl noch nie Latzhosen oder Jesuslatschen getragen und wurde bei Sitzblockaden auch nicht gesehen. Natürlich ist er kein Seiteneinsteiger im Kreml, sondern ein Produkt des Systems, in dem er hochkam.

Aber die finale Antwort auf die Frage - „Who is Mr. Putin?“ - was will er und was kann er eigentlich, ist die Geschichte bis heute noch schuldig geblieben.

Den Russen hat besonders das „Wir-sind-wieder-wer“-Gefühl gefallen, dass der kleine Mann im Kreml ihnen vermittelt hat. Je mehr er vom Westen kritisiert – aber geachtet - wird. Da gibt es endlich jemanden an der Staatsspitze, der sich „adäquat“ verhält, wie es auf neurussisch heisst. Wer nicht säuft und nicht protzt, wer Ski laufen und sogar Jagdflieger fliegen kann, der müsste auch Russland beschleunigen können.

Manchmal wirkt er wie ein Oberbuchhalter. Es gibt Frauen, die ihn anhimmeln. Andere Damen erzählen schaudernd von seinem eiskalten Komissars-Blick. Staatsgäste sind von seinem Charme gefangen.

An dem Mann gefällt, dass er da im Kreml ohne grossen Pomp seine Arbeit macht, in in aller Nüchternheit und Bescheidenheit. Dass er klar und deutlich formuliert, was er will. Und erstaunlich oft auch folgerichtig tut, was er sagt. Der Deutsche im Kreml. Vor allem spricht aber der realtive Erfolg, den er bisher hat, für ihn. Auch wenn er den hohen Ölpreisen zu verdanken ist. Wirtschaftswachstum von über 8 Prozent. Einkommenssteigerung, die den Binnenmarkt ankurbelt, von über 15 Prozent. Vor allem aber: realtive Stabilität im Lande.