Von Gisbert Mrozek, Moskau. Es klingt wie eine modernisierte Version des alten Märchens von des Kaisers neuen Kleidern. Gestern wurde voller Stolz Putins neue homepage im Kreml präsentiert, heute Mittag funktionierte sie nicht. Dabei wäre es dem Hörensagen nach eigentlich höchst interessant, Putins Online-Auftritt für russische Schüler („Lektion im Kreml“) anzusehen. Zumal Co-Autor des Präsidenten ein antiautoritärer Satiriker ist.
Dem Hörensagen nach glänzt Putins homepage (www.uznay-prezidenta.ru oder www.urok-v-kremle.ru) mit vielen interaktiven Elementen und einem vergnüglichen Geschichtsratespiel.
Und um den stereotypen Vorwürfen vorzubeugen, Putin pflege jetzt sogar auch schon Personenkult in den russischen Schulen, werden den Besuchern der homepage pädagogisch wertvolle Fragen gestellt. Zum Beispiel: „Wer ist wichtiger: Mama oder der Präsident ?“ Antwort: „Natürlich Mama“.
Oder auch: „Was sollte ein Bürger tun, der seinen Präsidenten über alles liebt ?“ Online-Antwort des Präsidenten: „Er sollte sich abregen. Für den Präsidenten ist das Wichtigste, dass die Bürger untereinander und gegenseitig nicht ihre Bürgerrechte verletzen. Ein Bürger sollte nicht seinen Präsidenten lieben, sondern sein Land.“
Ob dies auch wirklich auf der homepage so nachzulesen ist, können wir heute leider nicht überprüfen, weil sie sich nicht öffnen lässt. Zumindest nicht im Laufe des Vormittags.
Dies kann daran liegen, dass der Server unter dem unerwartet massenhaften Ansturm der user zusammengebrochen ist. Über eine aktuelle Besucherstatistik verfügt der Kreml allerdings heute mittag auch nicht.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die homepage-Produzenten das Geld für den Auftrag schon vorgestern kassiert haben. So wie sich seinerzeit im Märchen des Kaisers neue Schneider rechtzeitig aus dem Staube machten.
Vielleicht liegt es aber auch an dem Effekt, den jüngst der Politologe Wjatscheslaw Nikonow in einem russland-aktuell-Interview beschrieb. „Totalitarismus wäre, wenn der Präsident im Kreml auf den Knopf drückt und überall im Lande die Lampen angehen. Tatsächlich sind in Russland entweder die Lampen kaputt, die Kabel defekt oder gestohlen. Oder der Elektriker ist gerade unterwegs. Jedenfalls kann Totalitarismus in Russland prinzipiell nicht funktionieren.“
Autor der Putin-homepage ist der bekannte Satiriker Grigorij Oster, Verfasser eines ausgesprochen witzigen alternativen „Schulbuches“ und des antiautoritären Kinder-Bestsellers „Schädliche Ratschläge“. Zitat: „Wenn du mit dem Fahrrad den Korridor langfährst und plötzlich Papa aus dem Bad kommt, biege nicht in die Küche ab. Der Kühlschrank ist hart. Papa ist weich.“
Verantwortlich für den Server-Betrieb ist Grigorij Oster nicht.
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