Von André Ballin, Moskau. Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma ist zu einem Blitzgespräch nach Moskau geflogen. Auf dem Flughafen Wnukowo traf er mit Russlands Präsident Putin zusammen. Beide sprachen sich gegen eine Wiederholung der Stichwahlen aus, obwohl Mitglieder der Zentralen Wahlkommission inzwischen vor dem Obersten Gericht der Ukraine gravierende Fälschungen zugaben.
Putin hält die Wiederholung der Stichwahlen für unsinnig, da man ansonsten diese Wahlen so oft wiederholen könne, „bis die Resultate einer Seite passen“. Im Gegensatz dazu hat das Europaparlament sich in einer Resolution dafür ausgesprochen die Ergebnisse der Stichwahl für ungültig zu erklären und den Urnengang zu wiederholen.
Neuwahlen vs. Wiederholung der Stichwahl
Der Unterschied zwischen einer von der Regierung geforderten Neuwahl und der von der Opposition angestrebten Wiederholung der Stichwahl besteht einerseits im Zeitrahmen, andererseits in der Möglichkeit, bei Neuwahlen neue Kandidaten aufzustellen. Da ziemlich offensichtlich bei den Wahlen manipuliert wurde, ist das Image von Premier Viktor Janukowitsch ziemlich ruiniert. Zwar scheint auch im Westen der Ukraine nicht alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein bei der Abstimmung, doch das Gros der Fälschungen wird der Regierungsseite angelastet. In einer Neuauflage des Duells gegen Juschtschenko wäre Janukowitsch daher wahrscheinlich chancenlos.
Er selbst hat auch schon die Möglichkeit eines Rückziehers zugunsten seines Wahlkampfchefs, des Ex-Zentralbankchefs Sergej Tigipko angedeutet. Sollte der nun als neuer Nachfolger von Kutschma aufgebaut werden, braucht das Regierungslager Zeit. Die Opposition hingegen drängt auf eine schnelle Entscheidung zu ihren Gunsten.
Wahlkommission gesteht Fälschungen
Und sie hat alle Trümpfe dafür in der Hand. Schon am ersten Tag der Klageanhörung vor dem Obersten Gericht gab ein Mitglied der Zentralen Wahlkommission zu Protokoll, dass über eine Million zusätzliche Stimmen für Janukowitsch eingeworfen wurden. Das entspricht in etwa dem dreiprozentigen Vorsprung, den der Premier nach offiziellem Ergebnis vor seinem Herausforderer hatte. Es ist damit zu rechnen, dass das Gericht, die Wahlen daher tatsächlich für ungültig erklärt. Entscheidend ist jedoch, ob es sich dann für Neuwahlen oder für eine Wiederholung der Abstimmung unter fairen Bedingungen ausspricht.
Der Druck auf die Regierung kommt nicht nur von der Straße und Justiz. Auch das Parlament rebelliert inzwischen und erklärte die Regierung Janukowitsch mit einer Drei-Stimmen-Mehrheit für abgesetzt. Der will jedoch erst die Entscheidung Kutschmas abwarten, ehe er seinen Rücktritt bekannt gibt. Legt Kutschma sein Veto ein – und so sieht es derzeit aus, da er die Rücktrittsforderung nicht unterschreibt – braucht die ukrainische Rada allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um Janukowitsch endgültig zu stürzen. Das ist ziemlich unwahrscheinlich.
Dennoch gehen die Planspiele der Opposition schon weiter. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, der Sozialistenführer Alexander Moros solle zukünftiger Ministerpräsident der Ukraine werden. Moros war im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen Dritter geworden und hatte sich anschließend mit Juschtschenko gegen das Regierungslager verbündet. Er hat eine makellose Reputation in der Ukraine – für das von Korruption gebeutelte Land schon etwas Außergewöhnliches.
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