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Sonntag, 21.11.2004

Ukraine: Strassenkampf statt Stichwahl ?

Kiew/Moskau. Während Viktor Juschtschenko Massendemonstrationen ankündigt, warnt Altpräsident Kutschma vor Revolutionsversuchen. 4.700 internationale Wahlbeobachter und 750 Auslandskorrespondenten wollen nach dem Rechten sehen. Unter ihnen auch unser Korrespondent Andre Ballin. Im Endspurt haben beide Kandidaten die letzten Reserven mobilisiert. Lag die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang vor drei Wochen noch bei 75 %, so wollen laut Meinungsumfragen heute bis zu 98 % abstimmen.

Die Wahllokale öffneten um 8:00 und schliessen um 20:00 Ortszeit (9:00 Moskauer Zeit bzw. 7:00 Mitteleuropäischer Zeit -MEZ). Unmittelbar nach der Schliessung der Wahllokale werden erste Ergebnisse der der Umfragen vor den Wahllokalen veröffentlicht (exit polls), die zumindest die Trends erkennbar werden lassen.

Gläserne Wahlurnen sollen saubere Wahlen signalisieren - (Foto: NTW)
Gläserne Wahlurnen sollen saubere Wahlen signalisieren - (Foto: NTW)
Erste reale Ergebnisse der Auszählung werden um Mitternacht erwartet. Bis zum amtlichen Endergebnis ist es aber noch weit, denn trotz gläserner Wahlurnen gibt es bei den Wahlen viel Undurchsichtiges.

Das ukrainische Wahlgesetz erlaubt es der Zentralen Wahlkomission, 15 Tage lang zu zählen. Da buchstäblich um jede einzelne Stimme gekämpft werden wird, ist es durchaus möglich, dass das Ergebnis erst am 6.Dezember veröffentlicht wird.

Bei Russland-Aktuell
• Ukraine: Moskaus Statthalter vs. Westagent (22.10.2004)
• Ukraine: Putin am Scheideweg (15.11.2004)
• Großdemonstration in Kiew für Juschtschenko (25.10.2004)
• Ukraine: Putins TV-Lob für Janukowitsch (27.10.2004)
• Ukraine: Wahlen statt Revolution (31.10.2004)
10 Prozent der Wähler nicht in den Wahllisten

Eines der Hauptprobleme beim ersten Wahlgang war, dass viele Wähler nicht abstimmen konnten, weil sie in den Wahllisten entweder ganz fehlten oder ihre Namen oder Adressen falsch geschrieben waren. Es gibt Schätzungen, dass dies zu 10 % oder 3,7 Millionen Wähler betrifft. Bereits am Wahltag reichten 42.000 enttäuschte Wähler Klagen vor Gericht ein.

Die Zentrale Wahlkomission korrigierte inzwischen die Wählerlisten und gestattet es den Wahlkomissionen vor Ort, Fehler direkt zu korrigieren, wenn entsprechende Anträge gestellt und belegt werden.

Parallel zur offiziellen Auszählung haben auch die Wahlkampfstäbe der beiden Kandidaten ihre alternative Auszählung organisiert.

Juschtschenko: Ehrliche Wahlen ausgeschlossen

Am vergangenen Freitag kündigte Viktor Juschtschenko an, er rechne nicht mit ehrlichen Wahlen. Er werde sein Recht auf der Strasse durchsetzen. „Wenn wir massive Wahlfälschungen sehen, holen wir die Menschen auf die Strasse“, kündigte Juschenko an.

Im Fernsehen warnte Altpräsident Leonid Kutschma vor Revolutionsversuchen und rief zur Wahlbeteiligung auf. „Es wird keine Revolution geben. Wir haben bisher keine Instabilität zugelassen und werden es auch diesmal nicht tun.“ In den letzten 10 Jahren sei ihm gelungen, Stabilität zu bewahren, sagte Kutschma. „In unserer unmittelbaren Nachbarschaft gab es Kriege. Die Ukraine aber blieb eine Insel des Friedens und der Ruhe.“

Nach Meinung von Wahlbeobachtern wird sich eine hohe Wahlbeteiligung zugunsten von Viktor Janukowitsch auswirken, der im ersten Wahlgang sein Wählerpotential nicht
ausschöpfen konnte. Er versuchte, als amtierender Ministerpräsident kurzfristig noch durch eine Rentenreform Stimmen zu holen.

Juschtschenko kann bei der Stichwahl heute mit der Unterstützung der Sozialisten um Alexander Moros rechnen, der im ersten Wahlgang 6 Prozent der Stimmen hatte.

Moskauer Politiker wie Wladimir Putin oder Viktor Tschernomyrdin, die vor dem ersten Wahlgang demonstrativ Janukowitsch unterstützt hatten, halten sich jetzt weitgehend zurück.

(mig/.rufo)


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