Von André Ballin, Kiew/Dnepropetrowsk. Sonntagabend. „Heute können wir auch ohne Revolution gewinnen“, sagte Viktor Juschtschenko, der Oppositionskandidat, nachdem er aus der Wahlkabine kam. Premier Janukowitsch zeigte sich ebenfalls optimistisch, glaubte an einen Sieg gleich in der ersten Runde. Die hohe Wahlbeteiligung scheint gut zu sein für ihn.
Laute ukrainische Popmusik weist potentiellen Wählern in Dnepropetrowsk den Weg zu den Urnen. An allen Schulen der Stadt dröhnen die Lautsprecher mit voller Stärke. Je höher die Wahlbeteiligung, desto besser stehen die Chancen für einen Sieg Janukowitschs, haben Soziologen vorausgesagt.
Gegen 15 Uhr Ortszeit hatten bereits mehr als 53 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt. Die Zentrale Wahlkomission prognostiziert um die 80 Prozent.
Umfragen vor den Wahllokalen ergaben im Laufe des Nachmittags - je nach Meinungsforschungsinstitut - einen leichten Vorsprung für Janukowitsch oder für Juschtschenko.
„Viele Leute haben schon gewählt“, sagt eine Wahlhelferin in der Dnepropetrowsker Schule Nr. 85, die an diesem Sonntag zu einem Wahllokal umfunktioniert wurde. Tatsächlich machen erstaunlich viele Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Erstaunlich deshalb, weil nach Meinung vieler die Wahlen schon längst entschieden sind. „Janukowitsch wird gewinnen“, sagt eine junge Ukrainerin, die aber dennoch für Juschtschenko gestimmt hat. Sie wohnt im Osten der Ukraine.
Das Gebiet gilt eigentlich als Hochburg Janukowitschs. Seine russlandfreundliche Politik und seine Donezker Herkunft machen ihn zum Favoriten in der Ostukraine. Doch viele Bürger sind auch hier gegen den in das korrupte Kutschma-System verwickelten Premier. Gleichzeitig hat die Diskreditierung Juschtschenkos vor allem im Staatlichen Fernsehen nicht bei allen Wählern Früchte getragen.
Die Zentrale Wahlkommission teilte mit, dass die Wahlen ohne größere Vorfälle abliefen. Allerdings gingen in Kiew und im Verwaltungsbezirk Charkow schon Hunderte Klagen enttäuschter Bürger ein, die aus unerfindlichen Gründen nicht in der Wählerliste geführt wurden. In Kiew versammelten sich am Abend außerdem die Unzufriedenen zu einer kleinen Protestkundgebung im Stadtzentrum.
(ab/.rufo)
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