St. Petersburg. Die russische Position in der Kurilen-Frage scheint in Bewegung zu kommen. Am Sonntag erklärte Außenminister Sergej Lawrow, Russland sei grundsätzlich bereit, einen Teil des umstrittenen Territoriums abzutreten. Nach Meinung von Experten muss Japan im Gegenzug mächtig in die russische Wirtschaft der Fernost-Region investieren.
In einem Interview des TV-Senders NTW sagte Lawrow, Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR erkenne durchaus die Deklaration von 1956 an, in der sich die Sowjetunion zur Rückgabe der beiden kleinen südöstlichen Kurilen-Inseln Schikotan und Habomai bereit erklärt hatte. Wie das aber konkret zu bewerkstelligen sei, wisse heute noch keiner, denn „zu Gesprächen gehören immer zwei“.
Moskau „möchte die Beziehungen zu Japan vollends regeln“, sagte der Außenminister. Dazu sei es wichtig, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, in dessen Rahmen die Regulierung der Gebietsfrage formuliert werden müsse. Auch gegenüber China sei es erst dann möglich gewesen, alle Grenzstreitigkeiten beizulegen, nachdem eine strategische Partnerschaft erreicht wurde. Etwas Ähnliches könnte auch mit Japan geschehen.
Ein Anstoß für die wirtschaftliche Entwicklung
Sergej Karaganow, Vorsitzender des Rats für Außen- und Verteidigungspolitik, sieht hinter Lawrows Erklärung einen doppelten Sinn: Einerseits sei sie ein versteckter Aufruf an Japan, sich im russischen Fernen Osten stärker wirtschaftlich zu engagieren, andererseits solle die russische Öffentlichkeit schon einmal mental auf eine bevorstehende Rückgabe der Kurilen eingestimmt werden.
Japan sei, genau wie Russland, interessiert daran, dass geopolitische und wirtschaftliche Vakuum im russischen Fernen Osten aufzufüllen, sagte Karaganow gegenüber Interfax. Deshalb seien umfangreiche Kapitaleinlagen in Infrastruktur, Industrie und Manpower eine logische Parallele bei der Rückgabe der Inseln. Allerdings erhebt Japan auch Anspruch auf die weitaus größeren Inseln Kunaschir und Iturup, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter russische Herrschaft kamen.
In der russischen Öffentlichkeit werde die Frage der Rückgabe der Kurilen bis heute sehr negativ aufgenommen. Laut Karaganow ist Lawrows Auftritt vor der Fernsehnation deshalb auch ein Versuch, die Menschen auf die kommenden Veränderungen vorzubereiten. Der russischen Regierung ginge es darum, die Beziehungen zu Japan auf völlig neue Gleise zu stellen und zu einer strategischen Partnerschaft zu gelangen. Die Öffentlichkeit muss sich an diese neue Marschrichtung aber erst noch gewöhnen.
(sb/.rufo)
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