Von Karsten Packeiser, Moskau. Eigentlich sollen die Tschetschenen am 29. August einen neuen Präsidenten wählen. Doch erneut droht die Wahl, zu einer Farce zu verkommen. Echte Gegenkandidaten braucht Tschetscheniens Innenminister Alu Alchanow, Wunschkandidat des Kreml, nicht zu fürchten. Sein einziger gefährlicher Herausforderer wurde mit einer absurden Begründung aus dem Rennen genommen.
„Im vergangenen Jahr gab es keine Wahl, in diesem Jahr wird es auch keine geben“, sagte der Moskauer Geschäftsmann Malik Saidullajew zu russland-aktuell.RU. Die Wahlkommission hatte ihn nicht zur Wahl zugelassen, weil er bei der Anmeldung seiner Kanidatur einen ungültigen Personalausweis vorgelegt habe. In dem von der Miliz in einer Moskauer Vorstadt ausgestellten Papier ist als Geburtsort die Siedlung „Alchan-Jurt in der Republik Tschetschenien“ angegeben.
Kandidaten zum Teufel geschickt?
Als der ambitionierte Geschäftsmann das Licht der Welt erblickte, gab es jedoch keine solche Republik, befand die Wahlkommission, sondern lediglich die „Tschetscheno-Inguschetische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik“. „Beim nächsten Mal werden sie einen unliebsamen Kandidaten einfach nur noch zum Teufel schicken“, prognostizierte die oppositionelle Wochenzeitung „Nowaja Gaseta“.
Die vorgezogenen Neuwahlen in Tschetschenien waren notwendig geworden, nachdem der im vergangenen Herbst zum ersten tschetschenischen Nachkriegspräsidenten gewählte Ex-Mufti Achmed Kadyrow am 9. Mai einem Sprengstoffattentat zum Opfer fiel. Saidullajew war auch bei der ersten Wahl im Vorfeld ausgeschieden, weil er angeblich gefälschte Unterstützer-Unterschriften vorgelegt hatte. Auch alle anderen potentiell gefährlichen Präsidentschaftsanwärter verließen mehr oder weniger freiwillig das Rennen. Beobachter sprachen von grober Wahlfälschung.
Bei den Neuwahlen machte sich die Wahlkommission nicht einmal mehr Gedanken über eine haltbare Begründung, Saidullajew zu verbannen. Den Anschein einer demokratischen Willensentscheidung wahren sechs Gegenkandidaten, von denen aber nicht einmal ein eigenständiger Wahlkampf zu erwarten ist, darunter der Regional-Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und mehrere enge Vertraute des Kadyrow-Sohns Ramsan.
Kadyrow junior, der vor dem Tod seines Vaters offiziell dessen Leibgarde kommandierte und inzwischen zum Vizepremier-Minister aufgestiegen ist, gilt als einer der mächtigsten Männer Tschetscheniens und war nach dem Tod seines Vaters zunächst selbst als neuer Präsident im Gespräch. Offensichtlich war eine Kandidatur des Präsidentensohnes, dem Menschrechtler vorwerfen, mit seinen Todesschwadronen die Zivilbevölkerung mehr zu terrorisieren, als es die russische Armee je tat, aber selbst dem Kreml zu heikel.
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