St. Petersburg. Putins gestrige Erklärung, das Wahlvolk habe ein Recht darauf zu erfahren, wen er im Falle seines Wahlsieges in die Regierung berufen wird, hat bislang nur den gegenteiligen Effekt gehabt: Das große Rätselraten hat eingesetzt, wer nun von Putin als neuer Regierungs-Chef der Duma vorgeschlagen wird. Die Liste potentieller Kandidaten wird immer länger.
Selbst über die grundlegendsten Fragen sind sich Analysten und Presse nicht einig: Wird der neue Regierungs-Chef sein Amt bereits im Rang des Kronprinzen antreten, der nach der Wahl 2008 das Erbe von Putin übernehmen soll? Oder täte Putin nicht besser, zunächst eine völlig auf ihn fixierte „technische Regierung“ einsetzen – und seinen Nachfolger dann später, aber ebenso überraschend wie seinerzeit Jelzin aus dem Hut zaubern? Und schließlich: Was ist noch dran an Putins Worten vor der Duma-Wahl, die nächste Regierung auf Basis der Duma-Mehrheitsverhältnisse zu berufen? Also eine Regierung aus „Einiges Russland“-Kadern? Und wie war das mit Putins Angebot, die bei der Duma-Wahl durchgefallenen und nun arbeitslosen Liberalen aus Jabloko und SPS in Zukunft zum Wohle des Staates einzusetzen?
Neben dem jetzt als Regierungs-Chef amtierenden „ewigen Vizepremier“ Viktor Christenko nennt die Zeitung „Wremja Nowostej“ heute unter Berufung auf Quellen im Kreml als potentielle neue Premiers noch dessen bisherigen Kollegen Alexej Kudrin, Verteidigungsminister Sergej Iwanow – sowie originellerweise auch den abgesetzten Michail Kassjanow. Für Kudrin und gegen Iwanow spricht, dass ersterer ein durch und durch ziviler Mensch ist, der dem Westen gut als Reformer und Wirtschaftsliberaler vermitteltbar wäre. Allerdings wird Kudrin angekreidet, dass er zusehr auf Anatoli : Anatoli Tschubais als Orientierungsfigur ausgerichtet sei.
Wladimir Schirinowski schlug gestern den Duma-Vorsitzenden Boris Gryslow als geeigneten Kandidaten vor. Aber nicht nur „Einiges Russland“ stellt für Putin eine Kaderreserve dar, sondern auch seine eigene Präsidentenverwaltung. Die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ nennt heute als perspektivträchtige Namen aus dem Kreml Igor Schuwalow und Dmitri Kosak, die beide Putins Vertrauen genießen.
(ld/.rufo)
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