Von Karsten Packeiser, Moskau. Die russische Staatsanwaltschaft hat zu einem neuen Schlag gegen den Ölkonzern Jukos und dessen Chef, den Multimilliardär Michail Chodorkowski, ausgeholt und Ermittlungen wegen weiterer Wirtschaftsvergehen des Unternehmens aufgenommen. Der staaliche Ölkonzerns Rosneft fühlt sich von Jukos um ein Aktienpaket an einem sibirischen Ölunternehmen betrogen. Der Exil-Magnat Boris Beresowski zeigte sich in einem Zeitungsinterview bereits überzeugt davon, dass auch Chodorkowski früher oder später gezwungen werde, Russland zu verlassen.
Die ernsten Probleme für den reichsten Mann Russlands hatten am 2. Juli begonnen, als sein Vertrauter Platon Lebedew verhaftet wurde. Die Staatsanwälte werfen Lebedew, dem zweiten Mann in der Jukos-Hierarchie, Vergehen bei der Privatisierung eines Bergwerks Anfang der 90er Jahre vor. Die Verhaftung fiel zeitlich mit dem Beginn einer großen Kampagne gegen Korruption und Misswirtschaft zusammen, mit der sich Innenminister Boris Gryslow von der Kreml-Partei “Einiges Russland” passend zum Beginn des Wahlkampfes als Saubermann präsentieren kann. Chodorkowski wurde in der Strafsache gegen Lebedew bereits selbst von den Ermmittlern zur Vernehmung vorgeladen – bislang als Zeuge.
Der einstige Kreml-Intimus Beresowski, der 1996 bereits maßgeblich zur Wiederwahl von Boris Jelzin beigetragen hatte, rief die russische Wirtschafts-Elite inzwischen auf, sich gegen Präsident Wladimir Putin und die gegenwärtige russische Führung zu verbünden. Anderenfalls drohten den Wirtschaftsmogulen fatale Folgen, da Putin plane, die Ergebnisse der Privatisierung grundlegen zu korrigieren.
Unterdessen scheint aber auch im Kreml selbst keine Einigkeit darüber zu herrschen, wie konsequent der Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität ausgefochten werden soll. Denn unter den so genannten Oligarchen, den russischen Wirtschaftsbossen, die in den 90er Jahren im rechtlichen Chaos der Übergangszeit an der Privatisierung der sowjetischen Staatsbetriebe teilnahmen und dadurch zu ihren riesigen Vermögen kamen, gibt es ganz offensichtlich niemanden, der nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen wäre.
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Jukos-Chef Chodorkowski wertete die Ermittlungen gegen Lebedew in Interviews als Teil eines Machtkampfes zwischen rivalisierenden Flügeln in der Umgebung Putins. Er sei aber überzeugt davon, dass Präsident Putin seine Neutralität bewahre, so Chodorkowski. Nach der Ankündigung der Fusion zwischen Jukos und Sibneft zum weltweit viertgrößten Ölkonzern der Erde habe er erhebliche Konflikte erwartet, da der Milliardendeal die Interessen zu vieler Beteiligter beeinträchtige.
Ernsthafte Schützenhilfe bekam Platon Lebdew inzwischen von Premierminister Michail Kassjanow. Eine Person, der Wirtschaftsvergehen vorgeworfen werden, in Untersuchungshaft zu nehmen, sei unangemessen, erklärte der Regierungschef. Mit seiner Parteinahme wolle sich Kassjanow als Politiker positionieren, der die Unternehmer vor dem Appetit der unter Putin immer stärker gewordenen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste schützen will, spekulierte der Politologe Alexej Makarkin in der Wirtschaftszeitung “Wedomosti”.
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