Von Katja Tichomirowa, Moskau. Eine schematische Darstellung des einst allmächtigen sowjetischen Geheimdienstes KGB würde die „taz“ vermutlich in ihre Rubrik „die wirrsten Graphiken der Welt“ einordnen. Bevor der frühere russische Präsident Boris Jelzin zu einer Entflechtung des Geheimdienstes ansetzte, war der KGB ein krakenarmiges Monster, dessen Einflussbreich nahezu grenzenlos war. Diese Machtfülle wird der KGB-Nachfolger - der Föderale Sicherheitsdienst FSB - nun bald wieder erreicht haben, denn die von Jelzin nach dem gescheiterten Putsch 1991 geschaffenen selbständig agierenden Sicherheitsdienste – die Grenztruppen und der Kommunikationsgeheimdienst FAPSI - werden nach dem Willen Wladimir Putins wieder dem FSB untergeordnet.
Die bislang ebenfalls unabhängige Steuerpolizei wird aufgelöst, ihre ca. 40 000 Mitarbeiter einer neuen Behörde des Innenministeriums unterstellt, die sich dem Kampf gegen den Drogenhandel widmen soll. Lediglich die Auslandsaufklärung und der Personenschutz für Spitzenpolitiker konnten sich einer Übernahme durch den FSB bis dato widersetzen.
Der personelle Zuwachs für den FSB ist bemerkenswert: Die Grenztruppen verfügen über ca. 210 000, der Kommunikationsüberwachungsdienst FAPSI über 54 000 Mitarbeiter. Bislang hatte der FSB 80 000 Bedienstete. Dem Inlandsgeheimdienst wächst jedoch nicht nur das Personal, sondern auch die Budgets der einzelnen „Abteilungen“ zu: allein die Grenztruppen verfügen über eine Jahresbudget von 22 Milliarden Rubel (ca. 64,7 Millionen Euro). Der FSB wird damit sein bisheriges Jahresbudget von 9,5 Milliarden Rubel mehr als verdoppeln.
Mit dem Kommunikationsgeheimdienst FAPSI, der u.a. mit der Überwachung der russischen Telefongesellschaften, Internetprovider und Softwareanbieter betraut ist, erweitert der FSB nicht nur seine Abhörmöglichkeiten, er erhält möglicherweise auch die Kontrolle über das elektronische Datenverarbeitungssystem „Wybori“, mit dem Wählerstimmen ausgezählt werden. In neun Monaten wird in Russland ein neues Parlament gewählt und die russischen Tageszeitungen Gaseta und Wremja Nowostej erwähnten in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit der FAPSI-Übernahme durch den FSB die Möglichkeit von Wahlmanipulationen. Der Sprecher des FAPSI, Sergej Popow, verwahrte sich umgehend gegen Unterstellungen dieser Art. Es gebe keinerlei Verbindungen zwischen FAPSI und „Wybori“, so Popow.
Wladimir Putin, selbst ehemaliger Geheimdienstoffizier, habe mit der Umstrukturierung des Sicherheitsdienstes seine Hausmacht stärken wollen, heißt es. Bis heute unterliegt der FSB keinerlei parlamentarischer Kontrolle, sondern ist dem Präsidenten direkt unterstellt. Um so bemerkenswerter ist, dass die Reaktion russischer Medien und Politiker auf den Machtzuwachs des FSB erstaunlich gelassen ausfiel. Zwar warnten einige Parlamentarier, vor den Gefahren einer unkontrollierbaren Super-Behörde. Doch selbst die liberale Parlamentssprecherin Irina Chakamada sieht in der Umstrukturierung „einen Schritt zu mehr Effizienz“. Mehrheitlich wurden die Veränderungen begrüßt als eine angemessene Reaktion Putins auf die insgesamt bedrohlichere Sicherheitslage des Landes.
Lediglich die russische Tageszeitung Iswestija bemerkte, dass in einem Land, in dem die behördlichen Strukturen ohnehin an Ineffizienz litten, die Schaffung eines Monster-Ministerium zur Folge hätte, dass dessen Arme zwar buchstäblich in jeden Lebensbereich hineinreichen würden, es aber unfähig sein werde, auch nur irgendetwas zu regulieren.
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