St. Petersburg. Das Petersburger Architektenbüro „Studio 44“ stellte seine Pläne zur Umgestaltung des Ostflügels des Generalstabsgebäudes vor. Bestellt von der Ermitage, finanziert durch einen Kredit der Weltbank und abgesegnet vom Petersburger Denkmalschutz, sieht der Entwurf supermoderne Innereien mit klassizistischen Außenfassaden vor.
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Das Gebäude |
Das Generalstabsgebäude wurde 1818-1829 von dem Architekten Carlo Rossi im Empirestil errichtet. Im Ostflügel waren das Außen- und das Finanzministerium des Zarenreiches untergebracht.
Die Umgestaltung dieses Gebäudeteils ist auf 120 Millionen Dollar ausgelegt. Nach der Fertigstellung wird die Fläche 60.000 Quadratmeter betragen (heute sind es 52.000). Zur Zeit haben die früheren Besitzer des Gebäudes es zu 80 Prozent geräumt. In drei bis vier Jahren sollen die ersten Ausstellungsflächen in Betrieb genommen werden. Während der Arbeiten bleiben die bereits funktionierenden Säle weiter in Betrieb.
(sb/.rufo)
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Wie die Zukunft des altehrwürdigen Gebäudes im Detail aussehen soll, ist aber bisher noch nicht allen Beteiligten vollends klar. Selbst Ermitage-Direktor Michail Piotrowski gab sein Wissensdefizit zu. Dafür wusste er aber bis auf Punkt und Komma genau, wie viel er begriffen hat von dem Projekt. Nämlich genau 76 Prozent. Unter die restlichen 24 Prozent fallen u.a. die Fragen, wo die Ausstellungen der Kunst des 20. Jahrhunderts untergebracht sein sollen (für die das Ganze ja überhaupt erdacht wurde) und ob die in den fünf Innenhöfen geplanten Gärten denn begrünt werden.
Oleg Jaweijn, Leiter des Studios und in Personalunion Bruder des obersten Denkmalschützers von St. Petersburg, lobte die Arbeit seines Architektenteams bei der Präsentation im Ermitage-Theater in höchsten, aber reichlich nebulösen Tönen. Da ging es um „kniffelige Mechanismen aus dem 18. Jahrhundert“, die Hängenden Gärten der Semiramis, „Ruinenlandschaften“, Zisternen und Grotten und vieles mehr – zu bewundern von der dritten Etage durch die verglasten Dächer über den Höfen. „Wir schaffen Enfiladen, Gärten und Grotesken“, ließ Herr Jaweijn verlauten. Und überhaupt würden hier „die Träume von Malewitsch und Mondrian wahr werden“.
Sei´s drum. Die Rekonstruktion des Ostflügels des Generalstabsgebäudes ist Teil eines ambitionierten Programms. Unter dem Namen „Die große Ermitage“ soll es die Verwandlung der weltbekannten Petersburger Kunsthalle in einen in jeder Hinsicht modernen Museumskomplex sicherstellen. Nicht nur mit Bildern an den Wänden und Skulpturen auf dem Boden. Heutzutage dürfen Internet-Zentren, Erhol- und Unterhaltungszonen sowie Cafés nicht mehr fehlen.
Keine leichte Aufgabe in einer derart kompakten architektonischen Landschaft, wie es gerade der Petersburger Schlossplatz ist. Jeder Eingriff in die Domäne der Herren Bartolomeo Rastrelli (er erbaute den Winterpalast) und Carlo Rossi (Autor des Generalstabsgebäudes) muss auf die Folgen bedacht werden. Zumal die Ermitage in ihrem großen Entwicklungsprogramm einen unterirdischen Eingangsbereich und Stellplätze für Autos plant.
Petersburgs Erster Architekt, Oleg Chartschenko, ist an sich kein Liebhaber der Moderne, sondern eher ein Verfechter des Althergebrachten. Doch auch er fand Worte des Lobes für Jaweijns Entwurf, indem er ihm eine gelungene Kombination von Achtung vor dem historischen Gedächtnis und Streben nach vernünftigen Neuerungen bezeugte. Dieser Kommentar zeigt, dass auch im traditionalistischen St. Petersburg langsam frischere Winde zu wehen beginnen.
Der grundlegende Umbau des Generalstabsgebäudes ist denn auch bereits das zweite epochale Projekt in der jüngsten Geschichte der Petersburger Architektur. Nachdem die Pläne zum Neubau des Mariinski-Theaters (www.aktuell.RU berichtete ausführlich) eindeutig in Richtung Moderne zielen, schließt sich die Ermitage nun diesen für Petersburg noch ungewöhnlichen Tendenzen an. Zwar wird sich außen nichts an Rossis Meisterwerk ändern, im Innern bahnt sich jedoch eine baugeschichtliche Revolution an.
(sb/.rufo)
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