Moskau, RIAN. Jeder Einwohner Russlands gibt für Medikamente im Durchschnitt 37 Dollar aus. Im Westen ist es das Zehnfache. Gleichzeitig gehört der russische Pharmaka-Markt zu den am schnellsten wachsenden in Europa. Heute beträgt sein Umfang rund 4 Milliarden Dollar, und in den nächsten vier bis fünf Jahren ist eine Verdoppelung zu erwarten, schreibt der Direktor des russischen Pharma-Industrie-Verbandes oleg Michailow in einem Beitrag für die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti:
Alljährlich nimmt der Markt der Medikamente im Durchschnitt um 10 - 15 Prozent zu, wobei nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Anstieg zu beobachten ist. Einerseits erklärt sich das mit gesamtwirtschaftlichen und sozialen Faktoren: Mit dem Aufschwung der Wirtschaft steigen die Einkünfte der Bevölkerung und die inländische Nachfrage an. Andererseits verändert sich die Situation auch innerhalb des Marktes. Der Apothekensektor entwickelt sich stürmisch, die Netze von Privatapotheken expandieren in die Regionen.
Gegenwärtig werden alte Präparate durch moderne, effektive und folglich teurere ersetzt. Oft ist es hierbei so, dass trotz der Verteuerung eines Präparates die Behandlungskosten insgesamt sinken. Im Lande erweitert sich die Produktion von Generika (bekannten Marken nachproduzierte Präparate), denen die Bevölkerung zunehmend mehr vertraut: In der Qualität stehen sie oft den europäischen nicht nach, sind aber nicht so teuer. Dieses Segment sorgt für immer größere Umsätze. Freilich existiert hier auch ein Schattenmarkt (laut Expertenschätzungen etwa 7 - 12 Prozent), der einen Teil des Gewinns für sich in Anspruch nimmt. Zur Bekämpfung dieses Marktes besteht in Russland unter anderem die Staatliche Pharmazeutische Inspektion.
Prioritätenliste für Subventionen
Nach dem Vorbild aller entwickelten Länder hat der Staat die Ausgaben für die medikamentöse Versorgung der Bevölkerung erhöht. Ungefähr zwei Milliarden Dollar werden für die Realisierung von Vergünstigungen beim Erwerb von medizinischen Präparaten bereitgestellt. Übrigens wäre es zweckmäßig, eine nationale Prioritätenliste der Medikamente zusammenzustellen, die zahlreiche Russen benötigen, beispielsweise Kardiaka und Mittel gegen erhöhten Blutdruck, um sie in erster Linie zu subventionieren. Zu diesem Zweck ist geplant, ein komplexes Versicherungssystem für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu schaffen.
Das Pharmaka-Geschäft vergrößert sich heute, ohnehin große Unternehmen fusionieren und verschlingen kleinere. Die Produktion wird für eventuelle Investoren immer attraktiver. Großunternehmen bereiten sich darauf vor, ab 2005 in Russland etappenweise die weltweiten GMP-Standards einzuführen (GMP bedeutet Good Manufacturing Practice) und legen Geld in der Neuausrüstung der Produktion, dem Bau von neuen Betriebsabteilungen und der Ausbildung von hochqualifizierten Arbeitskräften an.
Russische Exporte legen um 55 Prozent zu
Die fortschrittlichsten Unternehmen befolgen bereits solche einheitlichen Standards der Produktionsorganisation. In diesem Fall ist eine hohe Qualität der Medikamente garantiert. Unternehmen, die den Übergang zu GMP nicht schaffen, werden den Markt einfach verlassen müssen. Im Übrigen haben die Pharmaka-Betriebe noch ein bis zwei Jahre Zeit, um sich umzustellen. Zu Beginn dieses Jahres war ein Wachstum in allen Sektoren des russischen Pharmaka-Marktes zu verzeichnen. Der Import stieg um 23 Prozent, die russische Produktion um 36, der Export um 55 Prozent. Von den 4 Milliarden Dollar, die den Gesamtumfang des Pharmaka-Marktes bilden, macht der Anteil von Präparaten russischer Provenienz beim Geldgegenwert 30 Prozent, an der Gesamtzahl der verkauften Packungen gemessen sogar 70 Prozent aus.
Was den Import betrifft, so nimmt zurzeit die Einfuhr teurer innovativer Päparate bekannter Firmen zu. Die wichtigsten Lieferanten sind Westeuropa (Deutschland ist führend), die USA, Kanada und Japan; der summarische Anteil des Imports aus diesen Ländern belief sich 2003 auf 62,7 Prozent. Hierbei stiegen die Preise für westliche Arzneien dreimal so schnell wie die für die russischen, nämlich um 20 Prozent im Jahr. Auf Osteuropa entfielen im vorigen Jahr 24,8 Prozent des Imports. Die örtlichen Märkte sind bereits aufgeteilt, und der Import nach Russland erweist sich als ein guter Ausweg für die Produzenten aus dieser Region. Sie gehen von der Vorstellung aus, dass der Bedarf an Präparaten von hoher Qualität in Russland noch nicht voll gedeckt sei und der Markt vorläufig genug Platz für alle habe. Zwischen den traditionellen asiatischen Importeuren und den russischen Produzenten besteht eine recht scharfe Konkurrenz im Bereich der Generika. Das \"Gegenstück\" zu den russischen Medikamenten sind billigere analoge Präparate aus Asien. Übrigens sind sie in Bezug auf die Qualität recht oft schlechter als die russische Konkurrenz. Der summarische Anteil Asiens und Australiens am Gesamtimport Russlands belief sich 2003 auf 7,8 Prozent.
Russische Medikamente werden hauptsächlich in die Mitgliedsländer der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) sowie in die baltischen Länder exportiert. Letztere aber sind inzwischen Mitglieder der Europäischen Union und beginnen, ihr Leben nach den europäischen Standards aufzubauen. Und wenn die russische Produktion diesen nicht entspricht, wird der baltische Markt in Zukunft verschlossen bleiben. Unternehmen, die sich rechtzeitig auf die GMP-Normen umgestellt haben - zum Beispiel das Großunternehmen \"Nischfarm\" - eröffnen im Baltikum ihre Vertretungen.
Die russische pharmazeutische Industrie hat die Möglichkeiten, Schritt für Schritt den europäischen Markt zu erobern und in Zukunft auf einen so großen Umfang der Lieferungen von Medikamenten aus dem Westen zu verzichten. Doch erwartet sie heute mehr Hilfe vom Staat, darunter bei der Promotion ihrer Produkte im Ausland. Schließlich führt die Pharmazeutik Steuern an den Staatshaushalt ab und garantiert Arbeitsplätze. Wenn der Staat ihn stützt, geht er den von ihm selbst vorgezeichneten Weg: den der Entwicklung von innovativen Technologien.
(RIAN)
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