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Wirtschaft & Geld     

14-07-2004 Wirtschaft & Geld

Russlands Banken: Krise oder Panik?

MOSKAU, 14. Juli. /Jana Jurowa, politische Kommentatorin der RIA Nowosti/. Das, was in den letzten beiden Wochen mit den russischen Banken passierte, gleicht einem unvorhergesehenen Ereignis in einem Zirkus. Der Artist verpatzte seinen Trick und stürzte fast vom Trapez: den Zuschauern blieb vor Schreck fast das Herz stehen.



In unserem Fall erwies sich die Zentralbank der RF, das wichtigste Finanzorgan der Föderation, das über das Recht verfügt, den Banken die Lizenzen zu entziehen, in der Rolle des unglückseligen Akrobaten.

Vor einem Monat entzog sie der nach ihrem Bilanzwert mittleren "Sodbusinessbank" die Lizenz. Damals berichteten die Massenmedien, dass es gegenüber der Geschäftstätigkeit der Bank gerechtfertigte Vorbehalte gab: Verschiedene Einrichtungen betrieben über diese Bank Geldwäsche.

Anschließend kam es bei der "Kredittrust" zur Pleite. Beide Banken gehörten ein und demselben Eigentümer. Und als dann schließlich der Chef der Zentralbank, Sergej Ignatjew, in einer Rede vor der Staatsduma eine so genannte "weiße Liste" von Banken verkündete, denen nach seiner Auffassung keinerlei Gefahr droht, entstand bei den Leuten die Frage: Aber was, bitte schön, ist mit den anderen Banken.

Wer steht auf der "schwarzen Liste"?

Die Säuberungen, welche die Zentralbank unter den Finanzanstalten vornimmt, verlaufen nach Plan: Im letzten Halbjahr wurde 30 lebensuntüchtigen und faktisch nicht funktionierenden Banken die Lizenz entzogen. Es gab daraufhin keine Krise.

Die Zentralbank überprüft die Banken auf Stabilität in Übereinstimmung mit dem Gesetz über eine Einlagenversicherung für Geldanlagen der natürlichen Personen, welches am 27. Dezember 2003 in Kraft trat. In diesem Zusammenhang erklärte die Zentralbank, dass bei weitem nicht alle Banken, die sich dem Einlagenversicherungssystem anschließen wollen, der Tiefenprüfung standhalten.

Als nun die Anleger die Fakten rund um die Sodbusinessbank mit der Perspektive eines Bankrotts noch anderer Banken in Zusammenhang brachten, begann die Panik. Und dann ließ, aus irgendeinem unerfindlichen Grunde, der Chef der Behörde für den Kampf gegen die Geldwäsche, Herr Subkow, auch noch vernehmen, dass es eine Liste von zehn Banken gibt, die das Schicksal der Sodbusinessbank erwartet. Die Zentralbank hielt es nicht einmal für nötig, diese Information zu dementieren.

Ganze zehn Banken, die noch nicht einmal genannt wurden.

Natürlich interpretierten die Anleger, an derartige Kraftakte von Seiten der Finanzbehörden nicht gewohnt und mit den bitteren Erfahrungen der Zahlungsunfähigkeit und des Kollapses der Mehrzahl der Banken im August 1998 geschlagen, die Lage auf ihre Weise. Und noch stärker wurde der Drang, die Ersparnisse von den Konten zu räumen.

Das Entscheidende indes: Das Vertrauen der Banken untereinander begann zu Bruch zu gehen. Die verängstigten Banken vergaben Kredite nur noch selektiv, wobei sie nur noch die zuverlässigsten Kunden bedienten. Gleichzeitig stiegen, mit dem Mangel an Liquidität einhergehend, die Zinssätze.

Banken, die noch Geldauszahlungen tätigten, erhöhten die Preise für ihre Dienstleistungen. Außerdem könnten die Banken bei einer Krisensituation, bei der Kredite im Bank-zu-Bank-Geschäft abgeschrieben werden müssen, wiederum die Zinssätze in die Höhe setzen, um die Verluste auszugleichen.

Sprengkraft, die das Bankensystem außer Betrieb setzte

Das alles zusammen genommen wurde zu der Sprengkraft, die das Bankensystem außer Betrieb setzte. Darum gerieten die Bank Dialog-Optim und die Guta-Bank in eine derartige finanzielle Schieflage.

Kann man den "Unfall" Krise nennen? Eines ist klar: Wenn man diese Periode als glücklich bezeichnen wollte, dann hätte man wohl Schwierigkeiten mit der Zunge. Die Stufe des Unwohlseins und deren Folgen dürften allerdings bei den Kräften des Marktes unterschiedlich ausfallen.

Beginnen wir mit den Privatanlegern. Die Sodbusinessbank und die Kredittrust sind schon in die Knie gegangen, wodurch zumindest 30 000 Anleger glaubten, Schaden nehmen zu müssen.

Die Bank Dialog-Optim stellte ihre Tätigkeit ein, wodurch abermals 40 000 Anleger betroffen waren.

Die Guta-Bank geriet in einen Hängezustand: Visa International sperrte die Geldkarten, die die Guta-Bank herausgegeben hatte. Natürlich sorgte die Information für etwas Beruhigung, wonach die Vneshtorgbank die Übernahme der Guta-Bank vorschlug. Und dennoch, es ist nicht schwer, sich die psychologische Verfassung jener Anleger vorzustellen, die in eine schwierige Lage geraten waren. Für sie handelte es sich um eine echte Krise.

Darum begann auch die Panik: Die Leute belagerten tagelang die Geldautomaten der Kreditanstalten, um wenigsten die letzten Kröten zu retten. Im Ergebnis lief selbst denen ein Schauer über den Rücken, die ihre Ersparnisse auf den Konten relativ gut gestellter Banken hatten.

Vermutlich werden nicht all zu viele ihre Ersparnisse eingebüßt haben. Auf dem Höhepunkt der Ereignisse verabschiedeten die Abgeordneten der Staatsduma in Feuerwehr-Manier ein Gesetz, wonach die Zentralbank die Geldanlagen der Bevölkerung garantiert, sofern sie nicht die Summe von 100 000 Rubel (etwa 2.900 Euro) übersteigen. Wenn man zudem noch in Rechnung stellt, dass nach Berechnungen der Zentralbank 80 Prozent der Geldanlagen diesen Betrag nicht übersteigen, dann sollte eigentlich das Problem der einfachen Bürger gelöst sein.

Anders ist die Situation, die durch den Stillstand entstanden ist, bei den Geschäftskunden und den Banken selbst.

Die kleineren Banken haben nicht viele Privatkunden. Der Hauptanteil der Ersparnisse der Bürger, nämlich etwa 90 Prozent, befinden bei den Riesen der Branche, die sich nun keine Gedanken mehr machen müssen. Wenn man nun aber die Privatanleger unter Schutz stellt, so ist die Gewährleistung der Rechte bei den Geschäftskunden schon viel komplizierter.

Umso mehr, als nun nach geltendem Recht die Privatanleger bei einer Bankpleite als erste bedient werden und die Geschäftskunden in die zweite Reihe zurücktreten müssen. Einigen von ihnenstehen daher sicherlich noch einige unangenehme Momente bevor.

Heute gibt es in Russland 1200 Banken

Mit Stand von heute gibt es in Russland 1200 Banken. Es versteht sich von selbst, dass nach einem Beitritt zur WTO die überwiegende Mehrheit der Kredit- und Finanzanstalten nicht mit den ausländischen Banken konkurrieren kann, die auf den Markt drängen werden. Und dann werden wir dem Kollaps unseres Bankensystems schon gar nicht aus dem Weg gehen können.

Eine Sanierung des gesamten Bankensystems wäre deshalb einfach unumgänglich. Und die Handlungen der Zentralbank Russlands, die auf eine Stabilisierung der Finanzmärkte ausgerichtet sind, werden letztendlich denen zu Gute kommen, bei denen es keine Probleme mit der Liquidität gibt und auch sonst alles in Ordnung ist.

Durch die Panikstimmungen werden sie einen Zulauf neuer Kunden haben, die in verlässliche Hände geraten wollen. Sie werden in der Schlacht um die Geldanlagen die Oberhand behalten und günstige Projekte an sich ziehen, die die im Konkurrenzkampf Unterlegenen einbüßen werden.

Aus der Sicht des Staates bedeutet all das, was im Bankenwesen heute abläuft, also nichts Verheerendes. Die nachhaltige Bankenreform ist in Gang gekommen. Sie wird die schwachen Glieder der Kette offenbaren.

Ihre Aufgabe besteht laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Bankenausschusses in der Staatsduma, Waleri Subow, "nicht darin, allen zu helfen, sogar den Außenseitern; das entscheidende ist, die Krankheitsherde in der Gesellschaft auszumerzen, damit alle anderen sich aktiv entwickeln können".

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