Von André Ballin, Moskau. Gennadi Fadejew wird neuer Chef der russischen Bahn-AG. Am Montag entband ihn Präsident Wladimir Putin von seinen Pflichten als Eisenbahnminister und übertrug ihm die Leitung der staatlichen AG. Damit bestätigen sich die Gerüchte, die schon tagelang in der russischen Presse kursierten. Allerdings übernimmt Fadejew ein schweres Amt, denn dem milliardenschweren Unternehmen mangelt es an Ersatzteilen, um einer lichten Zukunft entgegen rollen zu können.
Der bisherige Minister Gennadi Fadejew ist schon 66 Jahre alt, weshalb seine Ernennung zum Chef der Bahn AG nicht selbverständlich war. Seine Karriere begann in der regionalen Eisenbahnverwaltung Ostsibiriens. Bis zum Ende der Sowjetzeit stieg Fadejew zum Stellvertretenden Eisenbahnminister auf. Auch der Untergang der Sowjetunion bedeutete nicht das Ende seiner Karriere. Von 1992 – 1996 leitete er das erste Mal das Eisenbahnministerium, ab 2002 das zweite Mal.
Die Frage ist, ob Fadejew zukünftig allein für die Geschicke des Schienentransports verantwortlich ist. Der Aufsichtsrat des Unternehmens soll in den nächsten Tagen bestimmt werden. Unter den Kandidaten des Aufsichtsratsvorsitzenden kursieren auch so prominente Namen wie die des Premiers Michail Kassjanow oder seines Vize Viktor Christenko.
Auch das Ministerium für Eisenbahnwesen in der Russischen Föderation bleibt vorläufig bestehen. Erstmal soll Fadejews erster Stellvertreter Wadim Morosow den Posten des Ministers übernehmen. Es ist allerdings noch offen, für wie lange. Entgegen ursprünglichen Behauptungen des Vize-Premiers Wladimir Jakowlew im August, dass das Ministerium als solches aufgelöst und als Abteilung dem Transportministerium von Sergej Frank unterstellt werde, behauptet das Eisenbahnministerium nun, dass seine Auflösung Ende des Jahres nicht vorgesehen sei.
Die Bedeutung des Ministeriums wird auf jeden Fall enorm sinken, denn nach der Abspaltung der Eisenbahn AG unterstehen dem Ministerium noch 295 Unternehmen und Organisationen. Dem Ministerium obliegen allerdings nach wie vor Regulierungs- und Aufsichtsfunktionen.
Hat die Bahn AG damit freie Fahrt?
Zum Bremsklotz für die Eisenbahn AG könnte sich in erster Linie das Fehlen von Achsen, Radgestellen und Kupplungen entwickeln. Für den Bau von Frachtwaggons fehlen in diesem Jahr 140.000 Radpaare und Achsen. Die von der Eisenbahn geforderten hochqualitativen Räder können nicht in der erforderlichen Anzahl geliefert werden.
Ex-Minister Gennadi Fadejew musste zugeben, dass viele russische Betriebe nicht in der Lage sind, die Räder in der geforderten Qualität, wie sie für den Eisenbahntransport notwendig sind, zu produzieren. Selbst Reparaturarbeiten kommen durch fehlende Ersatzteile in Stocken. Die Nachfrage nach Radgestellen konnte im ersten Halbjahr 2003 nur zu 70 Prozent, die nach Kupplungen gar nur zu 30 Prozent gedeckt werden, meldet die Moskauer Tageszeitung „Iswestija“.
Abhilfe soll ein Millionenvertrag mit dem Wyksun Metallurgiekombinat schaffen. Innerhalb von acht Jahren soll das Kombinat Eisenbahnräder im Wert von 800 Millionen USD an die Bahn liefern. Zwar ist der Vertrag schon im Juli geschlossen worden, doch die ersten 40.000 Räder werden erst Ende des Jahres geliefert. Später sollen dann monatlich soviel Räder hergestellt und ausgeliefert werden.
Experten schätzen, dass die Eisenbahn damit einen sehr hohen Preis für die Versorgung bezahlt. Andererseits kann die Eisenbahn wahrscheinlich nur so tatsächlich wieder Fahrt aufnehmen. Die Zahlen des Vorjahres sehen eher traurig aus: 2002 konnte die russische Eisenbahn nur 19 E-Loks, 20 Dieselloks, 408 Passagierwaggons und 1.440 Frachtwaggons in Betrieb nehmen. In den 80er Jahren war dies die monatliche Produktion.
|