St. Petersburg. Keine Woche ist vergangen, seitdem die russische Schiffbau-Branche auf dem erstmals stattfindenden Kriegsmarine-Salon der Welt ihre Leistungsfähigkeit zeigen wollte. Inzwischen droht der Streit zweier unversöhnlicher Petersburger Werften einen 1,4 Milliarden Dollar schweren Exportauftrag zum Platzen zu bringen. Angeblich werden in für China bestimmte Kriegsschiffe schrottreife Teile eingebaut.
Im Januar 2002 hatte die russische Rüstungsexport-Agentur Rosoboronexport mit der Volksrepublik China einen Vertrag über die Lieferung zweier Zerstörer im Wert von 1,4 Milliarden Dollar abgeschlossen. Um die Federführung bei dem Großauftrag kämpften von Anfang an zwei Petersburger Werften: Die Sewernaja Werf (Nordwerft) unter Leitung des Konzerns NPK und der Meshprombank sowie das Baltijski Sawod (Baltisches Werk) der Gruppe IST.
Zunächst hatte die russische Schiffbauagentur die Nordwerft als ausführendes Unternehmen festgelegt. Nach Vertragunterzeichung mit den Chinesen gewann jedoch das Baltische Werk eine entsprechende Ausschreibung. Letztlich verfügte jedoch Regierungs-Chef Michail Kassjanow, dass die Nordwerft den Löwenanteil des Großauftrages erhalte. Für das Baltische Werk blieb eine Rolle als Zulieferer von Antriebskesseln übrig, auf deren Produktion man dort das russische Monopol hat.
Gestern erklärte nun die Führung des IST-Konzerns vor der Presse, dass das Baltische Werk seine Kessel nicht liefern wird, da der Konkurrent Nordwerft beim Bau der Schiffe bewusst Pfusch produziert und man deshalb keine Garantie auf die eigenen Produkte geben könne: Anstelle der vertraglich geforderten Neuteile verbaue die Nordwerft, so IST-Chef Alexander Nesis wörtlich, „Müll“, der bei ihr bereits seit 15 Jahren auf Lager läge. Auch wurden Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgehen soll, dass der Konkurrent Altmaterial an zwei vermeintliche Zulieferer verkauft und diese Antriebskomponenten am gleichen Tag zum doppelten Preis wieder zurückgekauft habe. Auch würden zum Bau der chinesischen Schiffe ausgemusterte russische Zerstörer ausgeschlachtet. Der Milliarden-Auftrag sei deshalb schon so gut wie geplatzt.
Seitens des beschuldigten Konkurrenten wurde die Breitseite an Vorwürfen prompt zurückgewiesen: Andrej Kurasow, Vorstandsvorsitzender der Nordwerft, erklärte, der Bau der Schiffe erfolge gemäß der Anforderungen der Besteller und der russischen Normen und stehe unter der Qualitätskontrolle des russischen Verteidigungsministeriums. Auch trage die Nordwerft als federführendes Unternehmen allein die Garantieverpflichtungen gegenüber dem Kunden. Andere Vertreter der Werft erklärten gegenüber der Presse, tatsächlich aus dem Lager geholtes Material sei ungebraucht und neuwertig. Wegen der vereinbarten ungewöhnlich kurzen Lieferzeit – die Zerstörer sollen schon 2004 an China übergeben werden – müsse eben teilweise auf schon vorhandene Aggregate zurück gegriffen werden. Alte Schiffe würden für den Auftrag aber nicht ausgeschlachtet.
Sollte das Baltische Werk bei seiner Verweigerunghaltung bleiben, wäre die fristgerechte Ablieferung gefährdet und Russland regresspflichtig. Die Zeitung „Kommersant“ mutmaßt, dass die am Rüstungsexport beteiligten staatlichen Strukturen deshalb Druck auf die Kesselhersteller ausüben werden, dass diese doch ihren Verpflichtungen nachkommen.
Hinter dem angeblichen Qualitätsstreik stünden aber vermutlich andere Ziele: Die IST-Gruppe will bei den nächsten aus China zu erwartenden Bestellungen ihre Position stärken. Außerdem macht IST kein Geheimnis daraus, dass sie den Konkurrenten gerne schlucken möchten, um in St. Petersburg eine vereinigte „Superwerft“ zu gründen. Doch die Nordwerft und deren Eigentümer sträuben sich bislang gegen die Übernahme.
(ld/.rufo)
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