Am Donnerstrag, den 22. Mai 2003, stellte Igor Jussufow, Russlands Minister für Energiewirtschaft, die neue Energie-Konzeption für die kommenden zwei Jahrzehnte vor. Im Moment verbrauchen russische Industrieunternehmen für ihre Produktion viermal mehr Energie als ihre amerikanischen oder deutschen Konkurrenten. Steigt die inländische Industrieproduktion an, kann der Energiebedarf nur durch Exportbeschränkungen für russische Energieträger gedeckt werden. Das will die Regierung in Moskau auf jeden Fall vermeiden.
Eine Reihe von Massnahmen soll helfen, die Energieintensität der Herstellung bis 2020 zu halbieren. Energiesparen wird zukünftig das Zauberwort sein. Die gesetzlichen Energieverbrauchsnormen werden verschärft, alle strombetriebenen Anlagen werden zertifiziert. Staatliche Unternehmen werden verpflichtet, regelmäßig eine „Energie-Prüfung“ – ähnlich einer Wirtschaftsprüfung - durchzuführen. Die Regierung will Energiesparen zu einem gewinnbringenden Geschäft machen und ist bereit, in Zukunft für die Finanzrisiken der Energie-Service-Gesellschaften zu bürgen.
Das zweite Zauberwort heißt Preiserhöhung. Die beispiellos niedrigen Energiepreise führen dazu, dass die Unternehmen auf die alten energieintensiven Technologien setzen. Die Angleichung der Energieträgerpreise an das Weltniveau wird zweifelsohne den Transfer energieeffizienter Technologien nach Russland vorantreiben. Die Regierungsvertreter sind sich aber nicht einig, wie schnell die Preise steigen sollen. Vize-Premier Viktor Christenko gab z. B. an, 2010 werden 1.000 Kubikmeter Erdgas etwa 46-49 Dollar kosten, während Igor Jussufow Erdgaspreise von 54 – 64 Dollar ins Aussicht stellte.
Für den Menschen auf der Strasse sind die Probleme der Industrie fern. Er will bloß in den Wintermonaten nicht erfrieren. Die Regierung verspricht, ein effektives Wärmeversorgungssystem aufzubauen. Das Kernstück der Reform wird der Übergang zur dezentralen Energieversorgung sein, wobei das Potential von Kraft-Wärme-Kopplung voll ausgeschöpft werden muss. Das Energieministerium prognostizierte eine Verdoppelung der Tarife für Strom und Wärme bis 2020.
Der Energieminister kündigte auch Russlands Interesse für neue Energiequellen, insbesondere für Wasserstoffenergie und erneuerbare Energien. In der Konzeption sind aber keine konkreten Ziele gesetzt worden, welchen Anteil die regenerativen Energien in der gesamtrussischen Energieproduktion zukünftig haben werden. Die Erklärungen von Herrn Jussufow bedeuten also keine entscheidende Wende in der Energiepolitik. Atomkraftwerke werden ausgebaut, neue Öl-Vorkommen werden erschlossen. Fossil- und Atomenergie werden auch weiterhin die wichtige Exportgüter Russlands bleiben. |