Moskau. Am kommenden Donnerstag will die russische Regierung über eine neue Energie-Strategie für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 beraten. Das wäre die zweite derartige Initiative der russischen Regierung innerhalb von fünfzehn Monaten. Dabei spielt offensichtlich weniger der alljährliche Energienotstand in vielen Kommunen die entscheidende Rolle, als vielmehr die Furcht der Moskauer Führung, der marode Energiesektor könnte sich bald als Bremse des wirtschaftlichen Wachstums erweisen. Nach Einschätzung der Internationalen Energie-Agentur (IEA) muss Russland in den nächsten Jahrzenhnten einige hundert Milliarden Dollar investieren, um die nahende Energiekrise abzuwenden.
Eine Neuformulierung der russischen Energiepolitik ist auch notwendig geworden, nachdem die Staatsduma Anfang 2003 einem Gesetzespaket über Reform der Energiewirtschaft zugestimmt hat. Mit den neuen Gesetzen wird die Einrichtung eines freien Strommarktes in Russland ermöglicht. Die Duma setzte aber durch, dass der Staat während einer Übergangsfrist die maximal möglichen Tarife festschreibt.
Der Vorschlag der Regierung sieht vor, dass die Stromerzeugung (außer Atomkraftwerke) und der Vertrieb privatwirtschaftlich organisiert werden können, die Hochspannungsleitungen jedoch in staatlichem Besitz bleiben. Während einer Übergangsphase soll der Strommarkt in einen reguleirten und einen freien Sektor unterteilt werden. Die Preise auf dem regulierten Sektor sollen durch die Föderale Energie-Komission (FEK) festgelegt werden.
Auf dem freien Markt kann Elektrizität stundenweise zu freiausgehandelten Preisen gekauft werden. Für mindestens 9 Monate seit dem tatsächlichen Handelsbeginn steht es den Stromkonsumenten frei, ob sie am freien Strommarkt teilnehmen. Steigt die Anzahl der Marktteilnehmer bzw. die Menge des bestellten Stroms an, so will die Regierung die zweite Phase der Reform einleiten, wobei 15% des angegebenen Strombedarfs auf dem freien Markt erworben werden müssen.
Übermäßig zukunftsorientiert wird die neue Energiepolitik aber kaum ausfallen. Russland will nämlich in den kommenden Jahren wieder verstärkt auf Kohle setzen. Allein im Kusbass-Becken sollen 2007 jährlich 200 Millionen Tonnen des ökologisch fraglichen Brennstoffs abgebaut werden, verglichen mit 130 Millionen Tonnen heute. Damit soll die Erdgas-Abhängigkeit der russischen Industrie reduziert werden, so dass mehr Erdgas exportiert werden kann. Die Gaspreise auf dem Welktmarkt liegen derzeit um ein Mehrfaches höher als in Russland.
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