Mittwoch, 09.02.2005
Russische Rüstungslobby kontra SiemensMoskau. Der Chef der russischen Industrieagentur Boris Aljoschin hat sich in einem Schreiben an der Regierungschef Michail Fradkow gegen den geplanten Verkauf des Maschinenbauers „Silowyje Maschiny“ an den deutschen Siemens-Konzern ausgesprochen. Als Alternative wird die Übergabe an ein russisches Investorenkonsortium vorgeschlagen.
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Im Dezember 2003 wurde ein Vertrag zwischen der Interros-Holding des Multimilliardärs Wladimir Potanin, der 70 Prozent Aktien von „Silowyje Maschiny“ (Kraftmaschinen) gehören, und den Vereinigten Maschinenwerken unterzeichnet und im August 2004 storniert. Als neuer Käufer wurde Siemens genannt. Der deutsche Konzern fragte die russische Antimonopolbehörde um Zustimmung für den Erwerb von 74,464 Prozent der Kraftmaschinen-Aktien. Wie die Tageszeitung „Kommersant“ berichtet, meldete jetzt die Basiselement-Holding des russischen Milliardärs Oleg Deripaska ihr Interesse am Geschäft an.
Vorgeschobene Gründe
Auch die Antimonopolbehörde sei gegen den Verkauf der Kraftmaschinen-Vereinigung an Siemens, heißt es in dem Aljoschin-Brief. Als Gründe gegen ein Geschäft mit Siemens werden fehlende Regelungen beim Verkauf strategischer Unternehmen an Ausländer, angeblich unvermeidlicher Personalabbau in der Folgezeit sowie der drohende Verlust an wissenschaftlich-technischem Potential Russlands genannt.
Ex-Vizeregierungschef Ilja Klebanow steht dahinter
Ursprünglich wollte die Antimonopolbehörde ihre Zustimmung für den Siemensabschluß bis Ende Dezember erteilen. Das beinahe abgeschlossene Geschäft geriet nach einem Brief des Präsidentenvertreters im Nordestbezirk Ilja Klebanow an den Präsidenten Wladimir Putin ins Stocken. Daraufhin rief Regierungschef Fradkow in Putins Auftrag die Industrieagentur an.
Der frühere Vizeregierungschef Klebanow gilt als der wichtigste Lobbyist der russischen Rüstungsindustrie. Die Kraftmaschinen-Vereinigung umfasst ein halbes Dutzend Maschinenfabriken und ist mit einem Marktanteil von 60 bis 80 Prozent der größte Turbinenhersteller des Landes.
Interros-Chef Potanin versuche, Rüstungsbetriebe auszusondern, um bestehende Verbote für Geschäfte mit Ausländern zu umgehen, heißt es im Klebanow-Brief. Dadurch werde der Systemcharakter der Kraftmaschinen-Vereinigung zerstört. Siemens habe kein Interesse an einer Modernisierung der Betriebe und suche lediglich eine „Eintrittkarte“ auf die Märkte Russlands und der früheren sozialistischen Bruderländer.
Meinungsumschwung auf der ganzen Linie war die Folge. Niemand, auch nicht der Präsident kann es sich leisten, die russische Rüstungslobby zu brüskieren. Für Siemens sei noch nicht aller Tage Abend, sagte ein Sprecher des Industrie- und Energieministerium gegenüber dem „Kommersant“. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel mache sich für die Deutschen stark. Offiziell verweigert das Ministerium indes jeden Kommentar.
Weitere Interessenten
Angeblich gefährdete Interessen der nationalen Verteidigung sind wohl nur ein Vorwand. Laut Zeitung hätten neben Deripaska auch andere Firmen im In- und Ausland Interesse am Kraftmaschinen-Kauf. Genannt werden unter anderem die russische Energomaschkorporazija und die amerikanische General Electric.
(adu/.rufo)
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