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Wer dreht hier am Hahn? Ukraine oder Russland? (Foto: TV/.rufo) |
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Dienstag, 06.01.2009
Russland-Ukraine: Streithähne drehen an Europas GashahnMoskau/Kiew. Am Dienstag ist der russisch-ukrainische Gas-Streit eskaliert: Die Erdgas-Pipelines in die westlichen Abnehmerländer blieben weitgehend leer. Beide Länder schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu.
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Seit den frühen Morgenstunden bekamen Österreich nur noch zehn Prozent und Italien sowie sämtliche Balkanländer gar kein russisches Gas aus der Ukraine mehr geliefert. Auch in Polen und Deutschland wurde ein Rückgang der ukrainischen Lieferungen konstatiert. Die slowakische Regierung begann über die Ausrufung des Notstandes nachzudenken.
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In Richtung Westen fließt aber verstärkt russisches Erdgas über eine Pipeline durch Weißrussland und Polen. Gazprom verstärke auch die Lieferungen über die Pipeline Blue Stream via Schwarzes Meer in die Türkei.
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Der Streit, bei dem es vordringlich um den Preis geht, den die finanziell ausgepowerte Ukraine 2009 für ihren Gasverbrauch zu zahlen hat, hat mit der Liefersperre unvermittelt weite Kreise gezogen.
Eigentlich wollten beide Seiten den Transit nicht antasten
Am 1. Januar hatte der russische Gaskonzern Gazprom die Lieferungen an die Ukraine um deren Eigenverbrauch gekürzt, nachdem das ukrainische Gas-Unternehmen Naftogas seine Altschulden nicht bezahlt und dann auf Anweisung von Präsident Viktor Juschtschenko auch die Vertragsverhandlungen in Moskau abgebrochen hatte.
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Der von Naftogas abgewickelte Gas-Transport nach Westen sollte davon aber nicht berührt sein, hatten beide Seiten zunächst versichert. Weder Moskau noch Kiew wollten ihre Beziehungen zu den EU-Staaten durch den nachbarschaftlichen Energiestreit gefährdet sehen.
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Wie schon beim ersten Gas-Krieg Anfang 2006 kam zwar prompt etwas weniger Gas an der Westgrenze der Ukraine an als im Osten eingespeist worden war, doch summierten sich die Fehlmengen in den ersten vier Tagen auf nur 65 Mio. Kubikmeter dies entspricht 20 bis 25 Prozent einer Tageslieferung. Die Ukraine begründete den Schwund mit dem Bedarf an technischem Gas zum Betrieb der Pipelines.
Am Montag drehten dann die Zeichen auf Sturm: Gazprom-Chef Alexej Miller kündigte mit der ausdrücklichen Billigung durch Premierminister Wladimir Putin an, die bisher von der Ukraine gestohlenen Gasmengen am Dienstag von der Transitmenge abzuziehen und dies auch in den nächsten Tagen weiter so zu halten.
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Gazprom verwies dabei auf eine Warnung des russischen Zolls, dass das in der Ukraine auf der Strecke bleibende Gas zu Verstößen gegen die Valuta-Gesetzgebung bei Exportgeschäften führen könnte. Am Dienstag sollten deshalb nur 222 statt 287 Mio. Kubikmeter geliefert werden.
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Kiewer Gericht anulliert Transitvertrag
Obskur klang eine einstweilige Verfügung, die gleichentags ein Kiewer Gericht aufgrund einer Eingabe des ukrainischen Energieministeriums erließ: Der Gas-Transit sei in seiner jetzigen Form nicht rechtens, weshalb seine vorläufige Einstellung angeordnet wurde.
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Die Behörde hatte vorgebracht, dass der eigentlich bis Ende 2010 abgeschlossene Transit-Vertrag mit Gazprom nichtig sei, weil er seinerzeit von einem Naftogas-Vizevorsitzenden ohne entsprechende Vollmacht der Regierung unterzeichnet worden sei. Allerdings hatte die Ukraine seit 2006 die Transitgebühren nach diesem Vertrag kassiert.
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Am Dienstag gingen die Gaslieferungen durch die Ukraine dann weitaus stärker zurück als von Gazprom angekündigt: Naftogas sprach davon, dass nur noch ein Drittel der bisherigen Mengen aus Russland an der ukrainischen Grenze ankäme etwa 80 bis 90 Mio. Kubikmeter.
Naftogas Ukraine wies darauf hin, dass seit dem Morgen über drei der vier "Gas-Grenzübergänge" von Russland in die Ukraine kein Gas mehr fließe.
Ukraine hatte zuvor die Transitleitungen still gelegt
Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew sagte hingegen, der ukrainische Transit sei auf ein Siebtel (ca. 15 Prozent) zusammengeschrumpft. Dies liege daran, dass die Ukraine schon in der Nacht drei von vier Transit-Leitungen nach Westen und Süden stillgelegt habe.
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Neue Verhandlungen am Donnerstag
Wie dem auch sei die Eskalation des Konflikts und der zunehmende politische Druck aus der EU hat offenbar dafür gesorgt, dass sich die beiden Konfliktparteien wieder an einen Tisch setzen: Naftogas-Chef Oleg Dubina kündigte an, am Donnerstag zu einer neuen Verhandlungsrunde nach Moskau zu fliegen.
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Damit kam er einer Forderung der Europäischen Union nach, die am Dienstag empört auf die unvermittelte Liefersperre für einige Mitgliedsstaaten reagierte. Die Europäische Kommission und die tschechische Ratspräsidentschaft hatten in einem Appell an Moskau und Kiew unverzügliche Gespräche zur Lösung des Konflikts angemahnt.
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Gazprom erklärte daraufhin, die Verzögerung der neuen Verhandlungen durch Naftogas sei angesichts der Lage völlig unverständlich. Gazprom sei sofort zu Gesprächen bereit und nicht erst in zwei Tagen.
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Ukraine mit russischem Preisvorschlag einverstanden
Ein Sprecher des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko bezeichnete heute auch erstmals den von Gazprom noch vor dem Jahreswechsel vorgeschlagenen neuen Gaspreis von 250 Dollar pro 1.000 Kubikmeter als annehmbar.
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... will aber mehr Transitgebühren
2008 zahlte die Ukraine einen Gaspreis von 179,5 Dollar weniger als die Hälfte des von westlichen Kunden verlangten Tarifs.
Voraussetzung für einen Preis von 250 Dollar sei aber, dass die von Gazprom für den Transittransport bezahlte Vergütung um etwa 17 bis 30 Prozent angehoben werde.
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Gazprom hat allerdings bisher eine Neuverhandlung der Transit-Vergütung mit der Ukraine abgelehnt, da es hierüber einen bis 2010 gültigen Vertrag gebe.
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