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Russland bemüht sich, trotz Liferausfällen über die Ukraine genug Gas in Europas Leitungen zu pumpen (Foto: wingas) |
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Dienstag, 06.01.2009
Gazprom dreht den Gas-Fluss via Ukraine herunterKiew/Moskau. Der Gas-Konflikt zwischen Russland und der Ukraine macht den Europäern zunehmend Sorgen: Heute verringerte Russlands Gazprom erstmals die Transit-Lieferungen um die Menge des Schwundes beim Nachbarn.
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Die Rivalen im Gas-Streit, Gazprom und der ukrainischen Gaskonzern Naftogas schieben sich jetzt gegenseitig den Schwarzen Peter zu, wer für das bei den europäischen Abnehmern ausbleibende Transit-Gas verantwortlich ist:
Nach russischer Darstellung ist es die Ukraine, weil diese widerrechtlich die Transitlieferungen anzapfe. Nach Kiewer Lesart war von Anfang an Russland Schuld, weil das sogenannte technische Gas zur Transportgewährleistung nicht mehr geliefert würde.
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Gazprom rechnet der Ukraine die Verluste an
Seit heute wird allerdings von Gazprom definitiv weniger als die von den westlichen Abnehmern erwartete Gas-Menge in die ukrainischen Pipelines einspeist. Der Energiekonzern will auf diese Weise jene 65,1 Mio. Kubikmeter kompensieren, die vom 1. bis 4. Januar auf dem Gebiet der Ukraine versickerten.
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Nach Angaben des ukrainischen Gaskonzerns Naftogas floss heute Morgen nur über eine von vier Gaszähler-Stellen russisches Erdgas nach Westen. Das Volumen betrage nur ein Drittel des üblichen. Gazprom hatte schriftlich angekündigt, heute statt der eigentlich nötigen 287 nur ca. 222 Mio. Kubikmeter zu liefern. Zuvor war Naftogas aufgefordert worden, die Fehlmenge aus den eigenen Vorräten zu kompensieren.
Ukraine schlägt Alarm: Europa bekommt weniger Gas
Laut Naftogas seien jetzt die Gaslieferungen an die EU-Staaten Deutschland, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Polen, Ungarn und die Slowakei sowie an Moldawien und die Türkei nicht mehr voll gewährleistet.
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Gazprom kündigte allerdings an, die Lieferungen auf Alternativrouten über Weißrussland und Polen sowie die Schwarzmeer-Pipeline Blue Stream in die Türkei zu intensivieren und auch seine eigenen Gas-Reservoirs in Westeuropa zu leeren. In Deutschland wurden seit Beginn des Gas-Kriegs am 1. Januar bis gestern keine Lieferausfälle bemerkt, anders jedoch in einer Reihe Staaten Osteuropas und des Balkans.
Am Dienstag Vormittag meldete bereits Bulgarien, dass der Gastransfer aus der Ukraine völlig zum Stillstand gekommen sei.
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Gazprom will täglich den Schwund anrechnen
Auch innerhalb der 24 Stunden von 10 Uhr am 4. bis 10 Uhr am 5. Januar sind auf ukrainischem Gebiet 35 Mio. Kubikmeter zurückgeblieben. Diese Menge dürfte nach den gestrigen Ankündigungen von Gazprom-Chef Alexej Miller dann morgen aus den Lieferungen herausgerechnet werden. Miller holte sich am Montag Abend das Okay von Premierminister Wladimir Putin, die Gaslieferungen via Ukraine um das jeweils Gestohlene herabzusetzen.
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Nervenkrieg zwischen Gazprom und Naftogaz
Für eine weitere Verschärfung des Gaskonflikts spricht auch, dass Gazprom gestern erstmals in der Geschichte der Zusammenarbeit mit den ukrainischen Kollegen von Naftogas keine Tagesabrechnung über die transportierte Transitmenge erhielt.
Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow sprach von einer außerordentlichen Situation. Er mutmaßte, dass es in der Ukraine Kräfte gibt, die versuchen, uns zur Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Vermittlerfirmen zu zwingen und dabei keine Mittel scheuen.
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Eigentlich hatten beide Länder sich im Herbst darauf verständigt, ab 2009 auf das vor drei Jahren als Zwischenhändler eingeschaltete Unternehmen RusUkrEnergo zu verzichten und Gazprom und Naftogaz das Gas-Milliardengeschäft direkt miteinander abwickeln zu lassen. An dem in der Schweiz angesiedelten Unternehmen sind Gazprom und einige Geschäftsleute jeweils zur Hälfte beteiligt.
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Schweres Geschütz wird in Stellung gebracht
Beide Seiten versuchen jetzt zudem, mit juristischen Argumenten ihr Vorgehen in den Energie-Poker zu unterfüttern: Gazprom verwies gestern auf eine Warnung des russischen Zolls, dass das in der Ukraine auf der Strecke bleibende Gas zu Verstößen gegen die Valuta-Gesetzgebung bei Exportgeschäften führen könnte.
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Noch obskurer klang eine Gerichtsentscheidung, die am Montag in Kiew getroffen wurde: In einer einstweiligen Verfügung wurde der Gas-Transit in seiner jetzigen Form als nicht rechtens erklärt und seine vorläufige Einstellung angeordnet.
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Die Entscheidung fiel aufgrund einer Eingabe des ukrainischen Energieministeriums. Die Behörde hatte vorgebracht, dass der eigentlich bis Ende 2010 abgeschlossene Transit-Vertrag mit Gazprom nicht rechtsgültig sei, weil er von Igor Woronin, dem ehemaligen Vizevorsitzenden des Gaskonzerns Naftogas, ohne eine entsprechende Vollmacht der Regierung unterzeichnet worden sei. Dass es sich hierbei um einen Schachzug handelt, ist offensichtlich - schließlich hätte dieses angebliche Problem schon viel früher auffallen können.
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Beide Seiten wollen sofort verhandeln - tun es aber nicht
Momentan sind sich beide Seiten nicht einmal einig darüber, wo und wann weiterverhandelt werden soll wobei beide unablässig ihre Verhandlungsbereitschaft signalisieren: So hat Naftogas am Montag vorgeschlagen, unverzüglich Gespräche über die Liefer- und Transitbedingungen in Kiew zu beginnen.
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Worauf Gazprom antwortete, die Transitfrage stünde gar nicht zur Debatte, weil es einen bis 2010 gültigen Vertrag gebe. Außerdem sei es im internationalen Geschäftsleben üblich, derartige Verhandlungen am Ort des Warenbesitzers und nicht des Käufers zu führen.
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Berlin und die EU engagieren sich
Beide Seiten versuchen parallel, bei der EU nicht nur Verständnis für ihre Position zu gewinnen, sondern die Europäer auch in eine Vermittlerrolle zu drängen die dann möglicherweise in einem monetären Beitrag zur Konfliktbewältigung enden könnte.
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Heute trifft sich jedenfalls eine Delegation der EU-Kommission in Kiew mit Präsident Juschtschenko, während in Berlin Gasprom-Vizechef Alexander Medwedew mit dem deutschen Wirtschaftsministerium konferiert. Es wird nicht ausgeschlossen, dass sich Medwedew anschließend mit den aus Kiew kommenden EU-Vertretern zusammensetzt.
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Brüssel hat sich bislang aber nur bereit erklärt, mit beiden Seiten zu sprechen und Informationen zu sammeln, will aber nicht den Friedensstifter spielen.
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Dies könnte sich aber schnell ändern, wenn der Gas-Fluss über die Ukraine noch dünner wird und auch die großen EU-Kernstaaten mitten in einer winterlichen Kältewelle die Folgen des Zwistes zwischen den beiden östlichen Nachbarn zu spüren bekommen.
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