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Konfrontation mit der Staatsmacht: Nawalny-Anhänger gehen in Moskau auf die Straße (Foto: rain.tv)
Konfrontation mit der Staatsmacht: Nawalny-Anhänger gehen in Moskau auf die Straße (Foto: rain.tv)
Donnerstag, 18.07.2013

Reaktionen auf Nawalny-Urteil: Lob nur von Schirinowski

Moskau. Die Verurteilung von Alexej Nawalny zu fünf Jahren Lagerhaft wegen Unterschlagung von Holz wird in Russland weithin kritisiert. Auch manche Gegner Nawalnys halten das Urteil für einen Fehler. Seine Anhänger demonstrieren.

Im Moskauer Stadtzentrum versammelten sich am Abend nach dem Urteil zahlreiche Menschen, da Nawalny-Anhänger zu einer „Volksversammlung“ auf dem Manege-Platz aufgerufen hatten. Der Platz selbst war aber noch am Vortag von den Behörden abgesperrt worden – prompt wurde heute dort damit begonnen, Gehwegplatten auszutauschen.

Obwohl der Platz selbst damit nicht zugänglich war, standen um ihn herum, vor der Duma und den beiden Hotels National und Moskwa, gegen 19 Uhr jeweils einige hundert Menschen, die immer wieder gemeinsam klatschten. Die Polizei nannte die Zahl von 2.500 Menschen.

36 Personen wurden festgenommen, berichtet der Web-Sender "Doschd". Aus St. Petersburg wird von 33 Festnahmen bei einer ebenfalls nicht genehmigten Demonstration gegen das Urteil berichtet.

Wahlkampfstab: Kandidatur wird zurückgezogen


Nawalnys Wahlkampfstab hatte mitgeteilt, dass er nach der Verurteilung zu einer realen Haftstrafe seine Kandidatur um das Moskauer Bürgermeisteramt zurückziehen werde. Jetzt könne es nur noch um Protest, Wahlboykott und die persönliche Unterstützung Nawalnys gehen, hieß es dort. Sobald der Richterspruch rechtskräftig wird, muss die Wahlbehörde dessen Kandidatur nach dem Gesetz ohnehin streichen – wobei Nawalny als Vorbestrafter auch später nicht mehr für politische Ämter kandidieren kann.

Bei Russland-Aktuell
• Hartes Urteil gegen Alexej Nawalny: Fünf Jahre Haft (18.07.2013)
• Sechs Kandidaten für den Bürgermeisterposten in Moskau (12.07.2013)
• Oppositioneller Nawalny darf trotz Prozess in Urlaub (26.04.2013)
• Putin zu politischen Prozessen, Opposition und Kontrolle (25.04.2013)
• Nawalny vor Gericht: Prozess gegen mich ist politische Rache (24.04.2013)
Aus der Präsidentenadministration und der Regierung gab es keine prompten Reaktionen auf das Urteil. Rein formell handelt es sich ja auch nur um ein zweitrangiges Verfahren wegen Unterschlagung – und dies tief in der russischen Provinz. So beteuert Sergej Schelesnjak, Vizevorsitzender der Staatsduma von der Kreml-Hausparte „Einiges Russland“, in dem Strafprozess sei es „nicht um Politik, sondern um konkrete Fakten“ gegangen.

Schirinowski: Das geschieht ihm recht


Einhelligen Beifall zollte dem in Kirow ergangenen Urteil gegen Nawalny nur Wladimir Schirinowski, der populistische Chef der kremltreuen nationalistischen LDPR: „Das Urteil ist eine deutliche Warnung an unsere fünfte Kolonne: Diesen Weg gehen alle, die mit dem Westen verbunden sind und gegen Russland arbeiten.“ Der ehemalige Finanzminister Alexej Kudrin , ein enger Putin-Vertrauter, kritisierte hingegen über Twitter, das Urteil ziele auf Nawalnys „Isolation vom politischen Leben und dem Wahlprozess.“
Auch ideologische Opponenten Nawalnys aus dem Kreml-treuen russischen Medienbetrieb halten das Urteil für einen Fehler: „Ich habe nie an Nawalny geglaubt und kein Potential bei ihm gesehen. Jetzt hat er es bekommen“, so die TV-Moderatorin Tina Kandelaki. „Wo ist die Logik?“, fragte Wladimir Sowoljow, der politische Diskussionsendungen leitet: Ein ehemaliger Moskauer Vize-Präfekt, der aus dem Haushalt 376 Mio. Rubel unterschlagen habe, habe unlängst eine Bewährungsstrafe erhalten. Der Nawalny im Urteil zu Lasten gelegte Schaden beläuft sich auf 16 Mio. Rubel (ca. 400.000 Euro).

Prochorow: Geschäftsleute jetzt immer mit einem Bein im Gefängnis


Nicht nur aus politischen, auch aus wirtschaftlichen Gründen sei das Urteil für Russland ein fataler Wendepunkt, erklärte der Multimilliardär und ehemalige Präsidentschaftskandidat Michail Prochorow: „Jeder, der in Zukunft mit irgendjemanden einen Geschäftsvertrag abschließt, weiß jetzt: Bei Bedarf kann man ihn wegen dieses Vertrages einsperren“, erklärte der Anführer der neu gegründeten Oppositionspartei „Bürgerplattform“. Er frage sich, „wie viele talentierte Geschäftsleute und Juristen jetzt im Geiste die Koffer packen“, so Prochorow.

Chodorkowski: Kriminalisierung von Oppositionellen - bewährte Sowjet-Praxis

Michail Chodorkowski, der ehemalige Chef des Ölkonzerns Yukos, der selbst nach zwei fragwürdigen Prozessen wegen Wirtschaftsstraftaten eine langjährige Haftstrafe verbüßt, kommentierte das Urteil ebenfalls. Der Ausgang des Prozesses sei zu erwarten gewesen, denn „für Russland ist es nichts Ungewöhnliches, dass politische Gegner wegen krimineller Straftaten verurteilt und vom Justizsystem als gewöhnliche Verbrecher hingestellt werden“, hieß es in einer von seiner Pressestelle veröffentlichten Erklärung.
Dies habe es zu Zeiten des Stalin-Terrors ebenso gegeben wie während der Chruschtschow- und Breschnew-Zeit. Die Folgen dieser Repressionen sei die „innere Emigration des aktivsten Teils der Gesellschaft“. Sie führe zum „Zerfall des Landes, dem Aufblühen der Korruption, der Ausplünderung der öffentlichen Haushalte und irrwitzigen Mega-Projekten“.



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