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Sonntag, 07.08.2005
Der Kursk-Effekt Wiederholungszwang des SystemsGisbert Mrozek, Moskau. Anfangs schien es, als habe die russische Marine die Kursk-Lektion verstanden. Aber je länger das Mini-U-Boot festlag, desto mehr Fragen tauchten auf. Sie gehen jetzt auch Richtung Kreml.
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Erfreulich ist nur, dass Presse und Parlament in Russland doch in der Lage sind, diese Fragen zu stellen.
Mit dem Happy End für die Besatzung beginnen jedenfalls für die Flottenführung und Russlands Militär die Probleme erst richtig, denn Havarie und Bergung des Tauchapparates „Pris“ sind wahrhaftig kein Ruhmesblatt in der Geschichte der russischen Marine.
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„Pris“ fährt sich aus eigener Dummheit fest
Es sieht ganz so aus, als ob sich die „Pris“ wegen Manövrierfehler in den eigenen Trossen und Schläuchen der eigenen russischen Unterwasser-Lauschanlagen verheddert hätte. Selbst wenn es so war, dass dies erst geschah, als das Boot versuchte, sich in 190 Meter Tiefe aus Fischernetzresten zu befreien, lässt das an der Professionalität der Besatzung erheblich zweifeln.
Es erklärt aber zumindest, warum die Pazifikflotte 23 Stunden brauchte, um die Information über die Havarie an die Öffentlichkeit zu geben.
Flottenführung braucht 23 Stunden, um die Peinlichkeit zuzugeben
Allerdings steigerten die anschließenden Bergungsversuche der Pazifikflotte die Peinlichkeit nur noch. Erstens stellte es sich heraus, dass die ganze russische Flotte ausser dem festgefahrenen Mini-U-Boot keine eigenen einsatzfähigen Bergungsgeräte mehr hat. Sie sind verschrottet oder verkauft. Neue wurden auch in den fünf Jahren nach der Kursk-Katastrophe nicht beschafft. Im Moment des „Pris“-Unfalls stand die Pazifikflotte nackt da.
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Der Mangel an intelligenter Technik wird durch Kraftakte ersetzt, die scheitern
Zweitens versuchte die Pazifikflotte dann, Mangel an intelligenter Technik durch grobe Kraftakte zu ersetzen. Aber die Versuche, das Boot mitsamt Netzresten, Trossen, Kabeln, Schläuchen und Lauschanlage von deren 60 Tonnen schweren Verankerung schnell loszureißen und frei zu schleppen, bevor die Briten und Amerikaner kommen, scheiterten. Stattdessen schlug Admiral Viktor Fjodorow vor, das Boot frei zu sprengen. Glücklicherweise gelangte diese neue Form von Dynamitfischerei dann doch nicht zur Anwendung.
Bergung durch Sprengung glücklicherweise gar nicht erst versucht
Die sieben Mann der „Pris“ wurden nur deswegen gerettet, weil vor fünf Jahren auf der Kursk 118 Mann ums Leben kamen und alle Welt weiss, dass die Schuld daran die russische Flottenführung trug. Nur darum bat Russland diesmal sofort um internationale Hilfe und bekam sie auch sofort.
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Es kann aber auch nicht angehen, dass jedes Mal, wenn sich irgendwo sieben russische Seeleute mit ihrem Tauchgerät aus eigener Dusseligkeit festgefahren haben, die ganze Welt Kopf steht und Hilfe aus Texas und London heran geflogen wird.
Flottenchef geht ganz auf Tauchstation, Putin lässt ihn in der Versenkung
Das alles weiß man im Kreml und an der Flottenspitze natürlich auch und wusste es vermutlich gleich vom ersten Moment an. Darum ging wohl auch der russische Flottenchef, Admiral Wladimir Kurojedow, auf dessen Rechnung schon die Kursk geht, sofort ganz auf Tauchstation und wurde nicht mehr gesichtet. Nach der Kursk-Katastrophe soll den Admiral sein freundschaftliches Verhältnis zu Wladimir Putin geschützt haben, der Kurojedow bereits bei seiner Diplomarbeit (über die Geschichte der russischen Marineuniformen) zur Seite gestanden haben soll.
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Auch diesmal könnte Wladimir Kurojedow mit einem blauen Auge davonkommen. Denn Wladimir Putin holte nach dem Unfall nicht den Flottenchef aus der Versenkung, sondern schickt Verteidigungsminister Sergej Iwanow nach Kamtschatka, die Suppe auszulöffeln, die ihm die Marine eingebrockt hat.
Wenn Verteidigungsminister Iwanow diese Suppe auslöffelt, ist er als Putin-Nachfolger wohl auch nicht mehr zu gebrauchen
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Mit dieser Aufgabe dürfte sich dann für Iwanow auch erledigt haben, was ihm von der russischen Presse zumindest zugeschrieben wurde, nämlich irgendwann vielleicht einmal Putin als Präsident beerben zu wollen. Es sei denn, er greife durch.
Die Duma regt sich aber die Dimensionen der Peinlichkeit reicht noch nicht
Zumindest regt sich jetzt schon die Duma. Die bedingt oppositionelle Rodina-Fraktion des Dmitri Rogosin will von der Militärstaatsanwaltschaft wissen, warum die Marine keine eigenen Bergungsgeräte beschafft hat. Und die Kommunisten fragen nach der Verantwortung des Verteidigungsministeriums.
Aber den nötigen Nachschub, um den Wiederholungszwang des Systems zu durchbrechen, dürften diese Versuche nicht haben. Dafür reichen die Dimensionen des „Pris“-Unfalls und auch die Dimensionen der Peinlichkeit wohl nicht.
Vermutlich wird es auch hier den Kursk-Effekt geben. Eine Katastrophe erschüttert Russland, aber alles bleibt beim Alten. „Wir wollten es besser machen, aber es wurde wie immer.“
Gisbert Mrozek (gim/.rufo)
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