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Montag, 01.08.2005
Chodorkowski für Links-Wende in RusslandMoskau. Der inhaftierte Ex-Öl-Milliardär Michail Chodorkowski bleibt aktiv. In einem Artikel warnt er, eine Linkswende in Russland sei unausweichlich und notwendig, weil es an sozialer Gerechtigkeit fehle.
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Bei „sauberen Wahlen“ würden in Russland im Jahre 2008 unausweichlich die Linken siegen, warnt Chodorkowski die neureiche russische Wirtschaftselite in einem Artikel für die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ (ein joint-venture von Wall-Street-Journal und Financial Times). Aus Angst vor einem solchen Wahlergebnis drehe die Kreml-Administration jetzt die Schrauben an, kontrolliere das Fernsehen und schreibe das Wahlgesetz um.
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Chodorkowski hingegen wünscht sich eine linke Wende. Die Linken müssten an die Macht kommen, schreibt er, um die Freiheit und die Gerechtigkeit miteinander zu versöhnen. Schon im Jahre 1996 hätten er und 12 weitere Geschäftsleute einen historischen Kompromiss in Gestalt einer Koalition von Boris Jelzin als Präsident und KP-Chef Genadi Sjuganow als Regierungschef vorgeschlagen. Diese Strategie sei aber abgelehnt worden.
Oligarchen wollten 1996 eine Koalition von Jelzin und Sjuganow
Stattdessen habe es eine „Maschinerie der unbegrenzten Manipulation der Öffentlichen Meinung“ gegeben, um Jelzins Wahlsieg zu sichern. „Damals verwandelten sich die Journalisten aus Architekten der öffentlichen Meinung in dienstbare Geister ihrer Herren. Aus öffentlichen Institutionen wurden Sprachrohre ihrer Sponsoren.“
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Fragen eines Russen an seinen Oligarchen |
Wem fiel das sozialistische Eigentum zu, das von drei Generationen mit Blut und Schweiß geschaffen wurde ?
Warum machen manche Menschen, die sich weder durch Verstand noch durch Bildung auszeichnen, Millionen-Vermögen - während Akademiker und Helden, Seeleute und Kosmonauten unter der Armutsgrenze leben ?
Warum hat uns, als wir in der schlechten Sowjetunion lebten, alle Welt geachtet oder wenigstens gefürchtet und jetzt verachtet man uns als Blöde und Bettler ?
Haben wir etwa eine Regierung verdient, die noch zehnmal zynischer und hundertmal diebischer ist als die alten Parteibonzen ?
(formuliert von Michail Chodorkowski) |
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Schon 1996 sei im Jelzin-Team klar gewesen, dass eine Kontinuität des Jelzin-Regimes mit demokratischen Mitteln unmöglich sei. So tauchte Putin auf. „Die zahlreichen in- und ausländischen Kommentatoren und Analytiker, die die Renaissance einer autoritären Stagnation mit Wladimir Putin und seiner Petersburger Gruppe in Verbindung bringen, haben Unrecht.“
Die autoritäre Stagnation begann nicht unter Putin, sondern unter Jelzin
Seit Mitte der 90iger bis zum heutigen Tag fänden die Regierenden keine Antwort auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit, der nationalen Würde und der Moral in der Politik.
Der Öl-Milliardär, der wegen betrügerischer Privatisierung von Staatseigentum und Steuerhinterziehung zu neun Jahren Haft verurteilt worden war, macht sich zum Anwalt der Entrechteten und Enterbten. In den meisten ehemals sozialistischen Ländern habe es schon Mitte der 90iger Jahre linke Regierungen gegeben, die Freiheit und Gerechtigkeit miteinander versöhnten.
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Die Resourcen des postsowjetischen autoritären Projektes in Russland sind erschöpft
Der Kreml werde nicht in der Lage sein, die Entwicklung aufzuhalten. „Die Resourcen des postsowjetischen autoritären Projektes in Russland sind erschöpft“. Die Politiker im Kreml seien zu merkantil und bürgerlich, als dass man sie sich in der Rolle blutiger Henker vorstellen könne. In der kommenden russischen Regierung werde mit Sicherheit die Kommunistische Partei und die Partei „Rodina“ vertreten sein.
Den linken Liberalen wie Jawlinski, Ryschkow und Chakamada rät Chodorkowski, sich einerm großen sozialdemokratischen Projekt anzuschließen, statt am Wegesrand zu bleiben. „Nur eine breite Koalition, in der Menschen mit liberal-sozialistischen und sozialdemokratischen Ideen eine Schlüsselrolle spielen, bewahrt uns vor einem neuen super-autoritären Regime, das von der Welle eines linken Umsturzes geboren wird.“
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Friedliche Linkswende oder super-autoritäres Linksregime
Eine Linkswende sei in Russland ebenso notwendig wie unausweichlich. Putin müsse, um den Weg für eine friedliche Linkswende freizumachen, nur die demokratischen Bedingungen für die nächsten Wahlen gewähren und selbst in der verfassungsgemäßen Frist den Abschied nehmen.
Chodorkowskis Überlegungen haben nur den Haken, dass es ihm ebenso wie den kritisierten Kreml-Politikern an Legitimität fehlt. Chodorkowski hatte zwar als Yukos-Chef im Jahre 1999 den Wahlkampf der Kommunisten und der sozialliberalen Jabloko-Partei mit jeweils 40 Millionen Dollar gefördert, sich selbst aber auf krummen Wegen etwa acht Milliarden Dollar Privatvermögen verschafft.
(gim/.rufo)
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