Von André Ballin, Moskau. 110 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen am 7. Dezember ihre Stimme bei den Duma-Wahlen abzugeben. Doch wie heißt es so schön: Wichtig ist nicht, wie abgestimmt wird, sondern wie gezählt wird. Die Auszählung übernimmt die Wahlkommission. Deren Vorsitzender Alexander Weschnjakow zeigte sich davon überzeugt, dass diese Wahlen ehrlicher und fairer ablaufen werden als die letzten. Doch ganz ohne Tricks wird es sicher auch bei dieser Wahl nicht abgehen.
Laut Gesetz darf jede Partei pro Wahllokal nur einen Helfer stellen. Doch in der Praxis sieht das oft anders aus. Nach Angaben der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“ ist die Regierungspartei „Jedinaja Rossia“ oft mit zwei oder gar drei Mitgliedern in den Wahlkommissionen vertreten.
Möglich ist das dadurch, dass bei der Zusammensetzung die Duma-Fraktionen bevorzugt wurden. Da „Jedinaja Rossia“ ein Wahlkonglomerat zweier Fraktionen (der 1999 noch scharf verfeindeten Parteien „Vaterland“ und „Jedinstwo“) darstellt, stellt sie oft entsprechend mehr Wahlhelfer als vorgesehen.
Dies weckte bei der Opposition Befürchtungen, dass es zu Fälschungen kommen könnte. Jabloko, SPS und KPRF vereinbarten daher eine Zusammenarbeit bei der Wahlbeobachtung.
Anzeichen für Unregelmäßigkeiten gibt es. Aufmerksamen Wählern fiel am Sonntag auf, dass die Wahllisten so genannte „tote Seelen“ beinhalten. Das sind Personen, die entweder verstorben sind oder schon längst nicht mehr in dem Wahlbezirk wohnen. Statististische Unzulänglichkeiten oder Vorkehrungen für Wahlfälschungen?
Es sei nicht besonders schwer bis zu 200 Wahlzettel in die Urne zu schmuggeln, behauptet ein Informant der „Nowaja Gaseta“. Eine weitere Möglichkeit sei der Austausch bestimmter Wahlurnen vor der Auszählung. Da nicht alle Wähler das Wahllokal aufsuchen können, fahren Wahlhelfer mit den Urnen zu diesen Personen, um deren Stimmen einzusammeln. Ob diese dann auch gezählt werde, sei deshalb aber nicht sicher.
Diese mechanischen Manipulationen wird es sicher geben, vor allem in Baschkirien und Tschetschenien. In Baschkirien herrscht Präsident Murtasa Rachimow fast wie ein Despot des Mittelalters. Schon im Vorfeld der Wahlen wurde eine Druckerei entdeckt, die offensichtlich gefälschte Wahlzettel produzierte. Obwohl das Gebäude abbrannte, als die Miliz es durchsuchen wollte, gelang es, mehrere Zettel sich zu stellen. Außerdem wurden in der Republik mehrere Tausend Wahlzettel gestohlen. Am Wahltag wurden Wahlbeobachter mit Steinen beworfen, als sie ein Wahllokal aufsuchen wollten.
In Tschetschenien stimmen in erster Linie die dort stationierten Soldaten ab. Schon um die Mittagszeit lag die Wahlbeteiligung in den Kasernen bei 65 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Soldaten „ihre Pflicht erfüllten.“
Doch grundsätzlich haben die Manipulationen am Wahltag keine großen Auswirkungen auf das Endresultat. Wesentlich wichtiger waren die Manöver vor der Wahl. Erhöhter Zugang von „Jedinaja Rossia“ zu den Massenmedien, schwarze PR gegenüber anderen Parteien (2003 wesentlich weniger als vier Jahre zuvor) und die richtige Kräftegruppierung.
Dazu gehört die Gründung von Parteien, die gegnerischen Parteien Stimmen abnehmen sollen. Das erfolgreichste Modell ist sicher die Partei „Rodina“, die vom Kreml gegründet wurde, um den Stimmanteil der Kommunisten zu senken.
|