Nach den Terroranschlägen von Madrid müssen die Organisatoren nicht nur deswegen so schnell wie möglich gefunden werden, weil sie bestraft werden müssen. Noch wesentlicher ist die Frage, ob es die Tat einer Organisation wie Al Quaida oder der traditionalistischen ETA war. Wenn es die ETA war, dann haben wir eine neue Dimension des Terrors erreicht. Auch Moskau ist nicht gefeit gegen neue Terroranschläge, meint Jewgeni Koschokin, Direktor des Russischen Institutes für Strategische Forschungen RISI.
Die ETA hat bisher schrecklichen Terror organisiert – aber Terror anderer Art. Es war kein Terror, der auf die Massenvernichtung Unbeteiligter zielte, sondern gezielter, politischer Terror. Wenn die ETA hinter den Anschlägen von Madrid steht, hat sie eine Schwelle überschritten.
Die Antwort auf Madrid darf auf keinen Fall hysterisch sein. Auch aus diesem Grund müssen wir schnellstens verstehen, wer die Organisatoren waren. Ob es gelingt, weitere Anschläge zu verhindern, hängt davon ab, wie genau und gezielt die Reaktion ist. Denn der Kampf gegen den Terrorismus ist nicht nur Angelegenheit der Sicherheitsdienste. Es ist auch ein ständiger Kampf um die Köpfe.
Es ist ungeheuer wichtig, dass möglichst wenige Menschen bereit sind, solche Terroranschläge zu organisieren. Diese psychologische Seite der Frage ist umso wichtiger, als unsere technologische Zivilisation sehr verwundbar ist. Die Sicherheitsdienste können keine vollständige Sicherheit vor Terrorakten geben.
Offensichtlich bleiben Terroristen auch in Russland aktiv. Zwar gab es einige Erfolge in Tschetschenien. Einige Gruppen sind zerschlagen. Einige Führer haben sich ergeben. Aber das Netzwerk ist erhalten geblieben – und damit auch die Gefahr von Terrorakten. Natürlich werden in Moskau die Sicherheitsmassnahmen erhöht. Aber alle Profis auf dem Gebiet der Sicherheit wissen, wieviele verwundbare Stellen eine Megapolis wie Moskau hat. Niemand macht sich da Illusionen.
Es gibt natürlich noch die technische Möglichkeit, die Sicherheitsmassnahmen zu verstärken. Aber dafür gibt es ebensolche Barrieren, wie in Europa. Wir dürfen elementare Normen der Demokratie und des Rechtsstaates nicht verletzten. Dahin wollen die Terroristen uns treiben. Aber es wäre gefährlich für uns und für jeden Bürger.
Jewgeni Michailowitsch Koschokin (Kozhokin) ist Direktor des "Russischen Institutes für Strategische Forschungen" (RISI) in Moskau.
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