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26-04-2001 Politik

Warum Aslan Maschadow Terroraktionen nicht verurteilt

Von Gisbert Mrozek (Moskau). Auf abenteuerlichen Wegen kam dieses Interview mit dem tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow zustande. Die Fragen und Antworten wurden von Mittelsmännern durch alle russischen Posten und Kontrollen geschmuggelt. Wir veröffentlichen dieses Interview ungekürzt, aber in einigen Teilen im Laufe der nächsten Tage.

Interview mit Aslan Maschadow. Fragen von Gisbert Mrozek.

Frage: Wer steht hinter den Bombenanschlägen in Mineralnye Wody, Jessentuki und Tscherkessk, bei denen 25 Menschen getötet wurden ? Russische Behörden sagen, dass es Chattab ist. Was sagen Sie ?


Maschadow: Ich bin überzeugt, dass die russischen Behörden keine Beweise für die Beteiligung von Chattab und anderen tschetschenischen Kämpfern an den Terroranschlägen haben. In solchen Fällen hilft die Frage: Wem nützen die Explosionen ? Etwa uns Tschetschenen ? Für mein Volk sind das Allerschlimmste die Brandmale "Bandit" und "Barbar", die uns von den russischen Behörden anhängt werden.

Wir wollen heute um jeden Preis der ganzen Welt beweisen, dass wir keine Verbrecher und Terroristen sind. Wir haben alle Schrecken des Krieges durchgestanden. Jetzt werden Teile der russischen Armee abgezogen. Es läuft ein aktiver Partisanenkrieg. Warum sollten wir Leute in die russische Provinz schicken, um unglückliche Frauen und Kinder in die Luft zu sprengen, wenn wir hier direkt vor uns die Offiziere, Soldaten und Söldner haben, die Schuld an unserer Tragödie haben ?

Frage: Könnten die Anschläge nicht das Werk von Einzeltätern sein, die auf eigene Faust handelten ?

Maschadow: Ich schliesse aus, dass es Kämpfer der tschetschenischen Streikräfte waren, die ich befehlige. Aber dort können Einzelkämpfer gehandelt haben, die Rache nehmen wollen. Das ist nicht auszuschliessen. Der Krieg Russlands und seine Methoden haben Kamikadse-Kämpfer hervorgebracht, die auf Rache sinnen. Dieser Krieg hat schon 23 solcher Kamikadse-Kämpfer geboren. Ich trage Verantwortung nur für den organisierten Widerstand.

Nehmen Sie doch den russischen Oberst Budanow, der ein 18-jähriges Mädchen vergewaltigte und dann erwürgte. Sie hat Vater und Brüder, die sie rächen werden. Oder nehmen Sie das Dorf Nowogrosny, wo russische Soldaten als Antwort auf einen Feuerüberfall unserer Kämpfer drei Häuser niederbrannten und 9 Menschen töteten. Auch deren Verwandte wollen Rache. In Argun wurden bei einer Säuberungsaktion 11 Menschen getötet. In Novye Atagi befahl ein Oberleutnant, auf Frauen zu schiessen. Wie die Racheaktionen aussehen werden, kann ich nicht sagen.

Unsere Befehlshaber lassen Militärkolonnen, Posten und Kommandostellen überfallen. Aber Autobomben wie in Minwody haben unsere Befehlshaber nie angeordnet und werden es auch nicht. Wir haben viele andere Mittel, den Kampf fortzusetzen.

Frage: Wer sonst steckt dahinter ?

Maschadow: Im Jahre 1999 wurden Wohnhäuser in Moskau, Wolgodonsk und Buinaksk gesprengt. Das diente als Vorwand, den Krieg zu beginnen. Bis heute ist nicht ein einziger Beweis dafür gefunden worden, dass Tschetschenen mit den Explosionen in Moskau oder Wolgodonsk zu tun hatten.

In der Stadt Rjasan wurden dank der wachsamen Bewohner eines Hauses zwei FSB-Mitarbeiter gefasst, die dies Haus sprengen sollten. Später hiess es dann, das sei nur eine Übung gewesen. Oder nehmen Sie den Oberleutnant Litwijenko, der in Grossbritannien Asyl sucht. Auf dem Flughafen dort erklärte er, dass russische Geheimdienste ihn umbringen wollen, weil er weiss, wer hinter den Terroranschlägen steckt. Wenn man seinen Angaben nachgehen würde, würde man die Hintermänner finden.

Frage: Wäre es nicht nötig, eindeutig und öffentlich alle Formen des Terrors gegen das russische Volk zu verurteilen ?

Maschadow: Wir haben nichts gegen das russische Volk. Es tut uns nur leid. Man sollte uns nicht gegen das russische Volk stellen, das an einer schrecklichen Krankheit leidet - dem Russismus. Die Praxis zeigt, dass Russismus verwandt mit dem Faschismus ist. Die Präsidentenwahlen zeigen, was die Russen für einen Führer brauchen. Sie brauchen einen harten Leader, eine harte Hand. Ihnen gefielen schon immer solche wie Stalin oder Jelzin.

Den FSB-Oberleutnant haben sie dafür zum Präsidenten gemacht, dass er die Tschetschenen professionell umbringt. Und den allerschlimmsten Henker, der persönlich Zivilisten im Dorf Aldy erschossen hat, den General Schamanow haben sie zum Gouverneur von Uljanowsk gewählt. Uns tut dies Volk wirklich leid, das so denkt. Härte gebiert Härte. In Tschetschenien sterben russische Soldaten zu Dutzenden und Hunderten. Sie kehren in Zinksärgen zurück.

Frage: Was können Sie tun, um Ihre Feldkommandeure von Geiselnahmen und Terroraktionen abzuhalten ?

Maschadow: Ich kenne keine Fakten, dass irgendein Feldkommandeur an irgendeinem Terrorakt vor dem Krieg oder während des Krieges beteiliugt gewesen wäre. Die Russen haben auch keine solchen Fakten. Alles andere ist Propaganda. Die Terroristen und Geiselnehmer, die im russischen Fernsehen gezeigt werden, kennen wir nicht. Alle die, die vor dem Krieg in den Kidnapper-Banden waren, führen heute Seite an Seite mit dem russischen Militär die "antiterroristischen Aktionen" durch. Sie sind Verräter und Marionetten.

Ich kann ihre Namen nennen. Das Oberhaupt einer der Kidnapper-Banden der Gebrüder Jamadajew - das ist der ehemalige Mufti Tschetscheniens, der heutige Leiter der Administration, Achmed Kadyrow. Heute nennt er sich Retter der Nation. Das Oberhaupt der Denijew-Bande - Adam Denijew - ist heute fast schon die rechte Hand von Putin. Sogar kleine Lichter aus dieser Branche arbeiten heute in den russischen Rechtsschutzorganen. Klar, dass Geiseln auf Bestellung geraubt wurden. Das wurde alles getan, um mein Volk zu diskreditieren. In Wirklichkeit ist Menschenraub, umso mehr, wenn es sich um Gäste handelt, in der tschetschenischen Tradition eine grosse Schande.

PS.: An dieser Stelle müssen wir nun doch Aslan Maschadow widersprechen: Zwar wurden und werden Gäste und Gastfreundschaft in Tschetschenien immer geachtet. Aber seit Menschengedenken gehört es in grossen Teilen des Kaukasus - nicht nur in Tschetschenien - gerade zur Tradition, Menschen zu rauben und zu versklaven. Wovon endlose Erzählungen und alte Dokumente zeugen. Und auch einige der Feldkommandeure Aslan Maschadows setzten diese unheilige Tradition fort. Ich habe persönlich mit Leidtragenden gesprochen. Zu denen, die Geisel-Geschäfte machten, gehörte nach vielen Berichten auch Wacho Arsanow, Vizepräsident unter Maschadow. Und vielleicht sollte Aslan Maschadow, wenn er Kadyrow beschuldigt, nicht vergessen, dass Kadyrow gerade zu seiner Zeit Mufti in Tschetschenien war.

Fortsetzung des Interviews morgen

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