Von Alia Begisheva, Moskau. Der Menschenrechtler Anatolij Pristawkin ist zum Präsidentenberater ernannt worden. Doch in welchen Fragen er Putin beraten wird, ist unklar. „Pristawkin wird einfach zum Präsidentenberater“, sagte eine Präsidentensprecherin gegenüber rUFO, „womit er sich aber genau beschäftigen wird, wissen wir nicht“. Pristawkin war Präsident der Begnadigungskommission, die Putin erst vor wenigen Wochen aufgelöst hat. Der neue Posten für den Menschenrechtler sieht eher wie ein Trostpreis aus. Anatolij Pristawkin ist neben Sergej Kowaljow Russlands bekanntester Menschenrechtler. Der heute 70-Jährige gehört dem Vorstand des russischen Pen-Zentrums an und war von Anfang an Präsident der von Boris Jelzin 1992 ins Leben gerufenen Begnadigungskommission. Außerdem ist Pristawkin Autor des berühmten Buches „Schlief ein goldenes Wölkchen“, in dem er seine Kindheit in den Weisenhäusern während des zweiten Weltkrieges verarbeitet. Pristawkin kämpft für die Abschaffung der Todesstrafe in Russland. Zwar darf seit 1996 – damals wurde Russland Mitglied des Europarates – niemand hingerichtet werden. Doch seinen Verpflichtungen kommt Russland nur auf Papier nach: In Wirklichkeit werden einige Verurteilte weiter heimlich hingerichtet. Bereits seit August des vergangenen Jahres hat Putin kein einziges Begnadigungsgesuch mehr unterzeichnet, und Ende 2002 wurde Pristawkins Kommission ganz aufgelöst. Die Begnadigung der Verurteilten wurde zur Sache der Regionen erklärt. Der Kommission wurde vorgeworfen, sie hätte zu viele Verbrecher begnadigt. Anlässlich seiner Entlassung hat Pristawkin in einigen westlichen Zeitungen, darunter in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“, einen Appell an Putin unter dem Titel „Erbarmen, Herr Präsident!“ veröffentlicht. Dort schreibt er unter anderem, dass nach offiziellen Statistiken 95 Prozent der Bevölkerung in Russland stehlen. Die meisten aus Not, denn ihre Löhne reichen nicht aus, um sich zu ernähren. Solche Menschen wollte Pristawkins Kommission begnadigen. Die Auflösung der Begnadigungskommission haben die Menschenrechtler in Russland als Abschaffung der Institution Begnadigung kritisiert. Denn in den Regionen – wie Putin das anordnete – müssen noch entsprechende Ämter erst geschaffen werden. Pristawkin selbst konnte den russischen Journalisten gegenüber auch nicht genau sagen, worin seine neue Tätigkeit im Kreml bestehen wird. Doch Zweifel, dass sie effektiver sein wird als die alte, habe er auch. Nach seiner Entlassung schrieb Pristawkin ironisch, dass er nun endlich Zeit haben wird, um in seinem Gemüsegarten Gurken zu gießen. Doch die Mutter von drei Kindern, die eine Ziege gestohlen hatte und für fünf Jahre ins Gefängnis ging, gehe ihm trotzdem nicht aus dem Kopf. Ob Pristawkin auf dem neuen Posten etwas für diese Frau tun kann, wird sich zeigen. Im Moment sieht die Ernennung zum Berater eher nach Gurkengießen aus. Im Präsidentengarten.
|