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15-01-2002 Politik

Moskau bricht Gespräche mit Maschadow ab

Gisbert Mrozek, Moskau. Zur Vorbereitung der Tschetschenien-Debatten im Europaparlament, die ab dem 24.Januar stattfinden sollen, besucht eine Euro-Parlamentariergruppe Grosny und Moskau, um sich ein Bild der Lage zu machen. Für Ernüchterung sorgen zur gleichen Zeit Erklärungen von Behördensprechern und Militärs in Moskau, die den Verdacht aufkommen lassen, dass sich im Kreml die Anhänger einer militärischen Lösung durchgesetzt haben, nachdem die Generalität einige Erfolge aus Tschetschenien zu vermelden hat. Die Gesprächskontakte mit Aslan Maschadow, an die anfangs im vergangenen November grosse Hoffnungen geknüpft worden waren, seien ergebnislos abgebrochen worden, heisst es. Ein Kremlsprecher sagte zu rUFO, dies sei auch keine politische Tragödie, denn es habe eigentlich auch gar keine Gespräche gegeben, sondern nur Konsultationen. Es wäre wünschenswert, erklärte der Sprecher, wenn Aslan Maschadow sich seinerseits konkret äussern würde. Im vergangenen September, kurz nach den Terroranschlägen in New York hatte Wladimir Putin in einer Fernsehansprache die tschetschenischen Kampfgruppen und auch den tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow aufgefordert, die Waffen niederzulegen und in Gesprächen mit den russischen Behörden zu klären, wie sie ins normale politische Leben integriert werden könnten. Daraufhin hatte als Unterhändler Maschadows der ehemalige Feldkommandeur Achmed Sakajew von Istanbul aus telefonisch Kontakt mit dem südrussischen Generalgouverneur Viktor Kasantsew aufgenommen. Im Dezember kam es sogar zu einem persönlichen Treffen Sakajews mit Kasantsew, das allerdings unter merkwürdigen Umständen stattfand. Sakajew reiste ohne russisches Visum an. Ohne dass der in Russland steckbrieflich gesuchte Sakajew formal überhaupt die Grenze überschritten hätte, sprach er im VIP-Raum des Flughafens mit Kasantsew. Wenig später forderte Kasantsew – früher Oberkommandeur der russischen Truppen in Tschetschenien – die russischen Militärs auf, entschlossener gegen die Kampfgruppen vorzugehen. Die russichen Militärs, die ihrerseits von Anfang an gegen jegliche Gespräche mit Maschadow waren, feiern dieser Tage einige Erfolge. Zweifel an den Erfolgsmeldungen scheinen allerdings angebracht, zumal die Zahlenangaben durchaus widersprüchlich sind. So sagt jetzt der russische Oberkommandeur für Tschetschenien, seit November seien 1.000 Kampfgruppenmänner vernichtet worden, darunter 30 Feldkommandeure. Bisher war die Rede von „über hundert“ gewesen. Zur Erfolgsbilanz der Militärs gehört auch, dass in den letzten Wochen insgesamt 15 Inmarsat-Satelliten-Telefone beschlagnahmt worden sein sollen. Maschadow sei jetzt auf Feldboten und Brieftauben angewiesen, um Kontakt mit seinen Gruppen zu halten, heisst es. Als Zeichen für eine deutliche Schwächung der Tschetschenen wird gewertet, dass Maschadow in den letzten Wochen überhaupt die Telefonkommunikation mit seinen Kommandeuren eingestellt habe. Der als Staatsfeind Nr.1 gesuchte Chatab habe aus Angst, entdeckt zu werden, den Funkverkehr stark eingeschränkt. Der Abbruch der Gespräche mit Maschadow sei aber nicht die Konsequenz aus den militärischen Erfolgen, versichert ein Kremlsprecher. Eine militärische Lösung sei nicht das Ziel Moskaus. Es gehe vielmehr darum, für eine Normalisierung des Lebens in Tschetschenien zu sorgen. Zweifel an den Fähigkeiten der russischen Militärs lässt auch ein Prozess aufkommen, der am Montag im Moskauer Gebiet begann. Es geht darum, dass am 2.März 2000, wenige Wochen nach der Einnahme Grosnys, eine ganze Kolonne von Moskauer OMON-Sondereinheiten im Stadtgebiet in einen Hinterhalt geraten war. Nach mehrstündigem heftigem Feuergefecht wurden auf dem Schlachtfeld 22 tote und über 30 zum Teil schwerverletzte OMON-Milizionäre gezählt. Alle Welt war erstaunt ob der enormen Handlungsfähigkeit der tschetschenischen Kampfgruppen. Später stellte sich aber heraus, dass die OMON-Kolonne, die zum Schichtwechsel an einem Kontrollposten anfuhr, irrtümlicherweise von den OMON-Männern beschossen worden war, die sie eigentlich ablösen sollte. Immerhin hat die Tragödie jetzt ein gerichtliches Nachspiel, über das auch die russische Presse berichtet. Dennoch ist es für die Hinterbliebenen nur ein schwacher Trost, dass auch die US-Airforce in Afghanistan wiederholt eigene Stellungen bombardierte und einmal sogar beinahe den gerade eingesetzten neuen Regierungschef traf.

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