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24-01-2005 Politik |
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Theater in der Duma, Proteste in ganz Russland
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Moskau. Fünf Abgeordnete der gemäßigt nationalen Fraktion Rodina (Heimat) setzen ihren Hungerstreik mit Unbehagen fort. Sie protestieren gegen die Abschaffung kostenloser Sozialleistungen. Am Sonntag fiel ihre Internet-Pressekonferenz wegen einer Hackerattacke aus. Der Angriff war zu gut vorbereitet, als dass man von einer spontanen Aktion hätte sprechen können.
Den Hungerstreik hatte der Fraktionschef Dmitri Rogosin am Freitagnachmittag ausgerufen. Seine Forderungen: Die Umsetzung kostenloser Leistungen in Geldzahlungen soll für unbestimmte Zeit ausgesetzt werden. Ferner solle der Sozial- und Gesundheitsminister Michail Surabow zurücktreten. Als Höchstforderung gilt der Rücktritt des Kabinetts. Auf die Frage, ob der Hungerstreik wirklich unbefristet sei, antwortete der Rodina-Chef zögernd, er hoffe, dass Surabow bald Konsequenzen ziehen werde.
Kasparow wittert den Kreml hinter dem Hungerstreik
Schachweltmeister und Chef des oppositionellen Komitees 2008 Garri Kasparow warf Rogosin vor, seine Aktion mit Putins Präsidialamt abgesprochen zu haben. Schließlich gelte ja auch Rodina selbst als eine Kreation des Kremls. Stimmt es wirklich, so war die Regie diesmal ausgezeichnet. Rodina-Gegner von der präsidententreuen Partei „Einiges Russland“ wollen Hungerstreiks im Duma-Gebäude per Gesetz verbieten.
Subversion mit Suppenduft
Trotz des tierisch ernsten Anlasses, entbehrt die Situation nicht einer gewissen Komik. Zu Beginn des Hungerstreiks kam plötzlich konzentrierter Suppen- und Frikadellengeruch aus der Lüftung, was Rogosin als „Provokation des Einigen Russlands“ bezeichnete. Der Lüftungsschacht wurde zugeklebt, und die Gefahr gebannt. Politische Gegner verbreiteten das Gerücht, Rogosin habe sowieso eine Abmagerungskur geplant. Fakt ist: Für den korpulenten Rodina-Chef musste eine Luftmatratze in Doppelbettbreite gekauft werden.
Politologen warnen vor gewaltsamen Umwälzungen
Indes herrscht in der Gesellschaft eine Stimmung gegen den Sozialabbau eindeutig vor. In einer Wochenendtalkshow des russischen Staatsfernsehens kamen Politologen verschiedener Färbung überein, der Kreml lehne jeden Kompromiss mit der Bevölkerung ab. Deshalb seien Umwälzungen „revolutionärer, vielleicht gewaltsamer Art“ in absehbarer Zeit unvermeidlich. Die postsowjetische Landesführung habe die Lösung „seit 100 Jahren anstehender Probleme“, die drei Revolutionen und den Stalinterror zur Folge hatten, verfehlt.
Armee über Sozialabbau frustriert
Die „Nowyje Iswestija“ warnte in ihrer Montagsausgabe Die Abschaffung kostenloser Sozialleistungen könne zu Massenkündigungen bei der Armee führen. Diese seien bisher „ein mächtiger, oft sogar der einzige Anreiz für eine Offizierslaufbahn“ gewesen. Wie Polizisten dürfen Soldaten nicht an Protestkundgebungen teilnehmen. Es tehe ihnen aber frei, mit den Füßen zu stimmen. Nur Generäle mit ihren hohen Gehältern und Wehrpflichtige würden bei der Stange bleiben.
Erste orangene Zelte in Baschkirien
Am Samstag wurde eine mehrtausendköpfige Protestkundgebung aus Baschkirien gemeldet. Sie beschränkte sich nicht auf die sonst üblichen Proteste gegen den Sozialabbau. Die Kundgebungsteilnehmer forderten den Rücktritt des Republikchefs Murtasa Rachimow und des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ein bedrohliches Zeichen für Moskau: Acht orangefarbene Zelte wurden in der baschkirischen Haupstadt Ufa aufgestellt. Auch sonst war viel orange in der Menge zu sehen – wie in Kiew. (adu/.rufo)
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