Moskau. (Aktualisiert 14:40) Auch für Wladimir Putin kam das Ende des Geiseldramas überraschend, erklärte er bei einem kurzen Besuch am frühen Morgen in Beslan. Putin machte einen übernächtigten und niedergeschlagenen Eindruck. „Alles entwickelte sich schnell und nach seiner eigenen Logik“, sagte er. Auch die Antiterroreinheiten hätten darum schwere Verluste zu beklagen. Am Samstagmittag war bereits die Rede von möglicherweise 500 Toten.
Putin drückte allen Angehörigen sein tiefes Beileid aus. Ganz Russland betet für sie, sagte er.
Um die Mittagszeit waren aus den Trümmern der Schule bereits 210 Leichen geborgen worden. Die Zahl der Opfer steigt in dem Masse, in dem die Bergungstrupps vordringen. Viele Leichenfragmente konnten aber noch nicht zugeordnet und identifiziert werden
Die geborgenen Leichen wurden ins Leichenschauhaus des republikanischen Zentralkrankenhauses in Waldikawkas gebracht. In den Krankenhäusern Nordossetiens waren bis Samstagmittag 69 Menschen ihren Verletzungen erlegen. Der Kinderarzt Dr.Roschal teilte aber mit, alle geretteten Kinder seien ausser Lebensgefahr.
Das Katastrophenschutz- ministerium spricht von über 700 geretteten Geiseln.
Vor dem Kulturhaus von Beslan, in dem sich der Einsatzstab befindet, versammelten sich am Samstagmittag hunderte von Menschen, die verzweifelt nach ihren Angehörigen suchen, die in den offiziellen Listen nicht notiert sind.
Eine Interbrigade des Terrors
Die Zahl der Opfer könnte schliesslich bei 500 liegen, denn in der Schule waren zu Beginn der Geiselnahme sicher 1.200 Menschen oder mehr. Die meisten Opfer wurden in der Sporthalle durch die Explosionen getötet, die die Geiselnehmer auslösten oder durch die einstürzende Decke erschlagen.
Die Geiselnehmer, eine Interbrigade des Terrors mit neun Arabern und einem Afrikaner, hatte die Aktion offenbar langfristig vorbereitet. In der Schule fanden Ermittler ein Waffenlager, das vor Monaten im Fussboden eingerichtet worden war.
Unklar bleibt aber bis jetzt, was am Freitag der Auslöser für das Ende mit Schrecken war.
Putin: Wir haben keinen Sturmangriff vorbereitet
"Natürlich hatten wir alle Entwicklungsmöglichkeiten bedacht, aber wir haben keinen Sturmangriff vorbereitet", versicherte Putin. "Die Ereignisse entwickelten sich schnell und unerwartet nach ihrer eigenen Logik. Die Mitarbeiter unserer Sondereinheiten und des Innenministeriums der Republik haben Mut bewiesen, ohne Rücksicht auf sich selbst."
Vorher hatte Putin sich von Offizieren berichten lassen, dass diese von den Ereignissen überrascht waren und zum Handeln gezwungen waren.
Putin erklärte, er habe Anweisung gegeben, alle Helfershelfer der Geiselnehmer zu fassen. Darum sei auch die Grenze zu Georgien und die Grenzen zu den Nachbarrepubliken geschlossen worden.
Nordossetien sei russischer Vorposten im Nordkaukasus, sagte Putin. Die Geiselnahme sei darauf gerichtet gewesen, die Lage im Nordkaukasus zu destabilisieren. Wer sich auf diese Provokationen einlasse, werde als Helfershelfer der Terroristen eingestuft.
Putin kündigte Hilfe für die Angehörigen und Hinterbliebenen an.
Putin war am frühen Morgen in Beslan eingetroffen, ohne dass er am Flughafen von Offiziellen abgeholt worden wäre.
Er begab sich als erstes in die Klinik von Beslan, besuchte verletzte Kinder und die Schuldirektorin, die inzwischen ausser Lebensgefahr ist.
Nach einem kurzen Arbeitstreffen mit dem nordossetischen Präsidenten Alexander Dsasochow und anderen Spitzenbeamten kehrte er sofort nach Moskau zurück.
(mig/.rufo)
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