Moskau. Die „Zukunftswerkstatt“ ist eine der Neuheiten beim Petersburger Dialog in Hamburg. Sie soll neben einigen alten Dialog-Gruppen neue Formen und Inhalte des Dialogs erproben. Details über die Vorbereitung von Natalia Tscherkessowa, der russischen Koordinatorin der Zukunftswerkstatt. Natalia Tscherkessowa ist Direktorin der Presseagentur „Rosbalt“.
F.: Was muss man sich unter der „Zukunftswerkstatt“ im Petersburger Dialog vorstellen?
A.: Das ist eine neue Idee. Im Rahmen des Petersburger Dialogs treffen sich junge Menschen, die schon heute eine bedeutende Rolle in der Politik und Wirtschaft unserer Länder spielen. Der Ausgangspunkt war, dass jetzt 15 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer und fast ebensoviele seit dem Zerfall der Sowjetunion vergangen sind. Es gibt eine ganze Generation, die in dieser neuen Realität aufgewachsen ist.
Mit den Augen dieser Menschen wollen wir die Situation in Russland und in Deutschland analysieren. Wir wollen uns strategisch darüber klar werden, wie sich die Beziehungen zwischen unseren Ländern in Zukunft gestalten werden, denn gerade diese jungen Leute werden die Entscheidungen treffen, die diesen Prozess beeinflussen. Das war die Ausgangsidee, die von der deutschen Seite stammte. Wir haben das gerne unterstützt.
F.: Worin unterscheidet sich das von dem bisherigen Dialog ?
A.: Wir wollen in der Zukunftswerkstatt ausrücklich einen generations-typischen Blick auf die Entwicklung in unseren Ländern und in Europa überhaupt werfen. Wir wollen im geopolitischen Kontext Probleme diskutieren, die Russland und Deutschland recht scharf betreffen. Ich habe davon auch schon bei den bisherigen Dialog-Treffen und im Lenkungsauschuss gesprochen.
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Der Sinn des Dialogs besteht nicht darin, dass wir die Feinheiten der deutschen oder russischen Innenpolitik diskutieren. Diese werden wir sowieso nicht bis ins Letzte verstehen. Wir werden aber versuchen darüber zu reden, wie vom Standpunkt unserer Länder aus die ernsthaften europäischen Probleme zu lösen wären, die uns und auch die Europäer bewegen.
Ich habe da zum Beispiel die bevölkerungspolitischen und Immigrations-Probleme im Auge, die in Russland und Deutschland durchaus ähnlich sind. Probleme, die sich gerade nach der EU-Erweiterung auch in Europa verstärken. Es geht zum Beispiel darum, inwieweit die europäischen Werte auch nach der EU-Erweiterung Stand halten werden. Diese Diskussion dürfte besonders für die interessant sein, die in dieser Epoche gross geworden sind und ihr Karriere begonnen haben.
Die neuen Köpfe
F.: Wer sind denn die Diskutanten in der Zukunftswerkstatt ?
A.: Die meisten werden unter 40 Jahre alt sein, das ist Teilnahmebedingung. Dennoch sind die russischen Teilnehmer durchaus in der Politik bekannte Figuren. Zum Beispiel wird der Wirtschaftswissenschaftler Michail Deljagin dabei sein. Er vertritt den Wahlblock „Rodina“. Es kommt der Politologe Andrej Tschernyschow, der die LDPR vertritt und ist Vize-Vorsitzender des Bildungsausschusses der Duma.. Er stammt übrigens aus Saratow. Für ihn dürfte nicht uninteressant werden, was Russland mit der Auswanderung der Russlanddeutschen verloren und was Deutschland gleichzeitig gewonnen hat.
F.: Zumindest wird an der Wolga der islamische Faktor zunehmend stärker.
A.: Das ist eine Tatsache. Es wird jedenfalls interessant, dies mit jemandem zu besprechen, der von dort stammt.
F.: Kommt der Liberale Wladimir Ryschkow?
A.: Wir haben ihn eingeladen. Warum er abgesagt hat, weiss ich nicht. Vielleicht aus Zeitgründen. Es kommt Nikolai Lewitski, der eine interessante Position zu den Wirtschaftsbeziehungen vertritt. Er arbeitet schon seit anderthalb Jahren als Regierungschef der Komi-Republik, obwohl er nur wenig älter als 30 ist. Er war ein sehr gewichtiger Geschäftsmann und ist aus der Wirtschaft in den Staatsdienst übergewechselt. Er hat seine eigenen Ideen zur Industriepolitik.
Es kommt der Soziologe Waleri Fjodorow, Leiter des Meinungsforschungsinstitutes WZIOM. Fachmann auf demselben Gebiet ist Timofej Badartschow von der Zeitschrift „Russia in Global Affairs“. Er arbeitet mit Sergej Karaganow – aber er gehört schon zu der folgenden Generation. Es kommt der Unternehmer Girdin aus St.Petersburg.
Es wird eine recht bunte Zusammensetzung. Dabei sind sowohl Vertreter der Linken wie der schon erwähnte Michail Deljagin als auch Oleg Markowitsch Schlossberg aus Pskow, der aus dem Jabloko-Block stammt. Er ist ebenfalls Politologe. Sein Thema sind u.a. auch die Regionen, die wie jetzt Pskow an die EU angrenzen.
F.: Welche Erwartungen kann man vorab formulieren ? Kann es konkrete Ergebnisse geben oder ist der Diskussionsprozess schon das Resultat ?
A.: Das wird sich im Laufe der Diskussion herausstellen. Aufgabe des Petersburger Dialogs ist es, neue Verbindungsdrähte zwischen unseren Ländern zu spannen. In diesem Prozess sind nicht nur allbekannte politische Leader wichtig, sondern auch gerade die Generation, die nach 10 oder 15 Jahren Entscheidungsträger sein wird. Sie sind die Verbindung in die Zukunft.
Vielleicht taucht in der Diskussion ein Modellprojekt auf, in dem junge Politiker, Journalisten und Unternehmer zusammenarbeiten können, die an der Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen interessiert sind. Vielleicht kann das Kaliningrad-Thema zu einem solchen Pilot-Projekt werden.
F.: Wird diese Diskussion hinter verschlossenen Türen stattfinden oder in aller Öffentlichkeit ?
A.: Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Wenn wir uns darüber einig sind, dass alle Fragen maximal scharf und deutlich diskutiert werden sollen – und eigentlich macht nur dies Sinn -, dann muss dies natürlich hinter verschlossenen Türen geschehen. Pressepräsenz und Öffentlichkeit führt zu Verschlossenheit und Zurückhaltung.
Das, was hinter verschlossenen Türen maximal scharf diskutiert wurde, kann dann an die Öffentlichkeit getragen werden. Am Anfang sollten die Türen der Zukunftswerkstatt also geschlossen sein – am Ende geöffnet.
Fragen: Gisbert Mrozek
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