St. Petersburg. Die russische Staatsduma berät heute über ein Gesetz, dass öffentliche Demonstrationen neu reglementieren soll. Während die Genehmigungsprozedur vereinfacht wird, führt der Gesetzentwurf zahlreiche Beschränkungen ein, wo in Zukunft Volkes Stimme noch laut werden darf: So sollen Demonstrationen vor Botschaften, Ministerien und Gouverneurssitzen nicht mehr zulässig sein. Die Opposition fürchtet, auf diese Weise mundtot gemacht zu werden.
Der Gesetzentwurf „Über Versammlungen, Meetings, Demonstrationen, Märsche und Streikposten“ wurde von der Regierung eingebracht und wird von der Mehrheitsfraktion „Einiges Russland“ unterstützt. Seine Annahme in erster Lesung ist deshalb heute zu erwarten.
Nach dem neuen Demonstrationsrecht müssen Kundgebungen frühestens 15 und spätestens zehn Tage vor dem geplanten Termin bei der zuständigen Lokalbehörde schriftlich angemeldet werden. Das Amt ist verpflichtet, spätestens fünf Tage vor dem Wunschtermin eine Antwort zu geben. Verweigert werden dürfen Demonstrationen nur, wenn sie der russischen Verfassung, den Sitten und der Moral und dem Demonstrationsgesetz selbst widersprechen. Die Bürger bekämen damit ein echtes Recht auf derartige Meinungsäußerungen, so der ER-Abgeordnete und Duma-Vizevorsitzende Wjatscheslaw Wolodin. „Man muss jetzt nicht mehr in der Behörde herumsitzen und warten, bis man eine Genehmigung für eine Demonstration erhält“, so Wolodin.
Die Oppositionsparteien äußern allerdings heftige Kritik an der geplanten Einschränkung bei der Wahl des Veranstaltungsortes. So darf auf „Transportmagistralen“ und Eisenbahnlinien nicht demonstriert werden und auch nicht vor Gotteshäusern anerkannter Religionen. Tabu sollen auch Flächen vor dem Amtsitz des russischen Präsidenten, Regierungsgebäuden und den Verwaltungen der Föderationsgebiete sein. „Wenn man nicht mehr vor Behörden und Ministerien demonstrieren darf, wie können die Menschen dann ihren Protest der Staatsmacht mitteilen?“, sagt der kommunistische Abgeordnete Viktor Iljuchin. Das Gesetz würde Demonstrationen unter die Kontrolle der Staatsmacht stellen, so die Kommunisten.
Auch die Schirinowski-Partei LDPR und der Block „Heimat“ wollen gegen den Entwurf stimmen.
Der Bürgerrechtler und Ex-Dumaabgeordnete Sergej Kowaljow gab gegenüber dem Radiosender „Echo Moskaus“ zu bedenken, dass der Begriff „Transportmagistrale“ (auf deutsch in etwa: "wichtiger Verkehrsweg") in dem Gesetzentwurf sehr dehnbar sei. Darunter könnte letztlich jede Straße und jedes Trottoir fallen, so dass Demonstrationen nur noch auf öden Freiflächen möglich seien. Dort würde aber niemand den Protest der Bürger bemerken.
(ld/.rufo) |