Von Gisbert Mrozek, Moskau. Sie sind von ähnlicher Statur: Wladimir Putin war Oberst des Geheimdienstes, als er von Jelzin in den Kreml geholt wurde. Auch Michail Fradkow ist bei seinem Dienstantritt Oberst a.D.. Und auch der neue Premier trägt seit längerem schon den zivilen Anzug über der Uniform. Dass Putin sich einen Premierminister seinesgleichen geholt hat, ist allerdings nicht die endgültige Machtergreifung der russischen Geheimdienste.
Es ist eher ein Versuch, jenseits der alten bürokratischen Clans den archimedischen Punkt zu finden, an dem ein neuer Modernisierungsschub ansetzen könnte. Das zumindest ist die optimistische Sicht der Dinge.
Dem neuen Premierminister Michail Fradkow können erstaunlicherweise – wie auch Putin – alle etwas abgewinnen. Die Liberalen sehen in ihm den auf internationalen Parket erfahrenen weltoffenen Manager. Unter den Oligarchen hat er enge Freunde aus seiner Zeit als Aussenhandelsminister. Anderen gefällt es, dass seine Söhne auf der Geheimdienstakademie studierten.
In der israelischen Presse wurde vermerkt, dass Fradkow jüdischer Abstammung ist und Putin mit seiner Ernennung Verdächtigungen des Antisemitismus entgegenwirkt.
Für Putin aber, heisst es aus seiner Umgebung, sei das Wichtigste gewesen, dass sein neuer Premierminister mit keiner der Moskauer Seilschaften verbunden ist. Dies ist übrigens noch eine weitere Gemeinsamkeit, die die beiden verbindet. Dass Fradkow sich aus den byzantinischen Intrigen und Affären der Jelzin-Zeit herausgehalten hat, das rühmen auch andere Freunde Fradkows.
Ich bin ganz unverhofft aus der Finsternis ans Licht geholt worden, sagte Fradkow selbst irgendwann in den letzten Tagen. Und tatsächlich, als er aus dem Brüsseler Flugzeug stieg und die ersten Schritte auf russischem Boden machte, da blinzelte er noch unsicher. Als er vor laufender Kamera mit Putin sprach, flatterte die Stimme ein wenig. Aber am Tag, als die Duma ihn als neuen Premier bestätigte, da wirkte er schon fast schlagfertig-charmant. Der Mann wächst von Tag zu Tag.
Er könnte das Zeug haben, für Putin als erstes die überfällige Kabinetts- und Verwaltungsreform durchzusetzen und so erstmals ein ordentliches Instrumentarium zur Regierbarkeit des Riesenreiches zu schaffen.
Versprochen hat er, gegen Vetternwirtschaft und Korruption vorzugehen. Eine liberalen Kurs in der Wirtschaft zu steuern, Steuern zu senken um Steuerehrlichkeit zu erhöhen, soziale Probleme zu lösen, Armut zu beseitigen und das Bruttosozialprodukt in 10 Jahren zu verdoppeln. Mit einem Wort: weiter wie bisher, nur effektiver.
Bedenklich stimmt nur eins: Fradkows erstes bezifferbares handfeste Versprechen lautete, den Militäretat noch in diesem Jahr gleich um 20 Prozent zu erhöhen.
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