Von Karsten Packeiser, Moskau. Zwei Millionen Unterstützer-Unterschriften müssen alle unabhängigen Präsidentschaftskandidaten für eine Zulassung zu den Wahlen sammeln. Auf legale Weise ist dies für praktisch alle Konkurrenten von Kremlchef Wladimir Putin kaum zu leisten. Für den Staatschef gelten besondere Regeln. Im Norden von Moskau sammelten Mitarbeiter der Hausverwaltung Unterschriften für Putin und verteilten gleichzeitig “finanzielle Hilfen” an alle Rentner.
25 Rubel (etwa 68 Cent) konnten die Pensionäre einstecken, die den Wahlhelfern ihre Tür öffneten. Statt der erforderten zwei Millionen sammelten die Putin-Aktivisten landesweit nach eigenen Angaben über sieben Millionen Unterschriften. In jedem Fall scheint Putin damit dem Ideal demokratischer Spielregeln schon erheblich näher zu sein, als sein Vorgänger Boris Jelzin. Desen damaliger Eisenbahnminister Nikolai Axjonenko hatte 1996, als Jelzin auf dem Tiefpunkt seiner Popularität angelangt war, die russischen Bahnangestellten de facto dazu gezwungen, Jelzins Wiederwahl zu unterstützen. Unwilligen wurde die Kündigung angedroht.
Doch was Jupiter darf, darf auch in Russland ein Rind noch lange nicht. Gleich beide großen Staats-TV-Sender berichteten am Wochenende über Fälle von Stimmenkauf im Lager des linken Präsidentschaftskandidaten Sergej Glasjew. Der Wirtschaftsprofessor, der als einziger ernster Herausforderer Putins gilt, wies die Anschuldigungen zurück und sprach vom Beginn einer Schmutzkampagne, die in den Kreml-hörigen Medien gegen ihn organisiert werde.
Inzwischen gibt es kaum eine russische Zeitung, die nicht über Standard-Tarife für Unterstützer-Unterschriften berichtet hätte. Zwanzig Rubel je Unterschrift bot der Wahlstab der liberalen Irina Chakamada einer Reporterin der “Komsomolskaja Prawda”, die ihre Mitarbeit verschiedenen Politikern anbot. Besonders dreiste Unterschriftensammler kaufen auf den Märkten für Piraten-Software Datenbanken der Verkehrspolizei oder der Einwohnermeldeämter, schreiben die dort gespeicherten Ausweis- und Adressdaten ab und fälschen die Unterschriften der nichtsahnenden Bürger.
Die “Komsomolskaja Prawda” zweifelt nach dem verdeckten Einsatz ihrer Reporterin, dass es bei der Prozedur mit rechten Dingen zugehen kann, “wo den Wahlhelfern überhaupt nur in Einzelfällen jemand die Tür aufmachte und dann einer von hundert für den nötigen Kandidaten unterschreiben wollte”.
Nur zwei Kandidaten mussten gar keine Wahlhelfer hausieren schicken. Der Kommunist Nikolai Charitonow sowie der Schirinowski-Leibwächter Oleg Malyschkin sind von der umständlichen Prozedur befreit, da sie Parteien aufgestellt wurden, die in der Duma vertreten sind.
Die übrigen haben nach eigenen Angaben deutlich über zwei Millionen Unterstützer finden können. Auf legale Weise, versteht sich. Wenige Stunden vor dem Ablauf der Frist am Mittwochabend fehlten lediglich die Unterschriftenlisten von Sergej Glasjew und des skurillen Millionär und Pharma-Unternehmers Wladimir Brynzalow.
|