Moskau. Mit einer neuen Rekordlänge von zwei Stunden und 40 Minuten produzierte die Putin-Pressekonferenz einen schier endlose Reihe von Präsidenten-Aussagen zu den verschiedensten Themen – vom Kleingärtnerwesen bis zur Atomrüstung Nordkoreas. Wahre Bomben ließ Putin allerdings nicht platzen. Viele Antworten erschöpften sich in der Kerninformation, dass dem Präsidenten das genannte Problem durchaus bekannt ist.
Russlands Präsident bewies einmal wieder herausragende körperliche Kondition: Ohne Pause redete er 160 Minuten über jegliches beliebige Thema, dass die 700 Journalisten im Saal mit insgesamt 48 Fragen an ihn herantrugen und garnierte seine Antworten aus dem Stegreif mit exakten Rubelmilliarden-Beträgen und Prozentzahlen (Zitat: „90 Prozent der Kartoffeln, 80 Prozent des Gemüses und 60 Prozent der russischen Obsternte werden auf Datscha-Grundstücken eingebracht“).
Wichtig: Die Regierung Kassjanow bekam von ihm ein „zufriedenstellend“ als Note und muss deshalb vorerst wohl nicht mit damit rechnen, in die Wüste geschickt zu werden.
Die ausländische und die Hauptstadt-Presse überließ das Feld weitgehend den Kollegen aus den Regionen, die sonst wenig Gelegenheit haben, zu den sie drückenden Problemen den Staats-Chef zu befragen. Entsprechend ging es auch weniger um außenpolitische Fragen und mehr um Russland-Interna. Auch das Interesse am Putin’schen Privat- und Familienleben scheint in den Medien nicht mehr so dominant zu sein, dass die Kollegen dafür diese seltene Möglichkeit einer Frage an den Staats-Chef opfern würden.
Aus der Zusammensetzung der Fragen wurde auch deutlich, dass die Probleme in Tschetschenien außer den Tschetschenen niemanden mehr brennend interessieren. Der Rest des Landes hat offenbar andere Sorgen – vom Schutz der Störe am Kaspischen Meer bis zur 750-Jahr-Feier von Kaliningrad.
Deutlich wurde auch ein Konkurrenzkampf unter den Regionen: Während gleich zwei Journalistinnen aus Nischny Nowgorod nachhakten, ob denn der Kreml die regionale Hauptstadtwerdung ihrer Stadt als eines der sieben Zentren eines föderalen Kreises unterstützen würde, kam aus anderen Provinzen offene Besorgnis zum Vorschein: Bedeutet die diskutierte Zusammenlegung einzelner Föderationsgebiete und die wachsende Bedeutung der „Generalgouverneurs“-Sitze nicht eine weitere Herabstufung der regionalen Selbstständigkeit?
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Einen guten Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten bietet heute |
• newsru.com (russ.)
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Putin versuchte die Befürchtungen zu dämpfen: Weder sei vorgesehen, dass die sieben Amtsorte zu Mini-Hauptstädten würden, denen sich andere Regionen unterordnen müssten. Noch soll die Fusion von Föderationssubjekten zu einer sich verselbstständigenden Welle werden. Zusammenschlüsse seien dort sinnvoll, wo einzelne Gebiete alleine nicht lebensfähig seien. Des weiteren erklärte Putin, dass er eine schrittweise Verteilung von föderalen Hauptstadtfunktionen auf andere Städte als Moskau durchaus für sinnvoll halte. Er nannte dabei Deutschland als Beispiel, wo das oberste Gericht des Landes in Karlsruhe angesiedelt sei. Eine Verlagerung der Hauptstadt insgesamt – gemeint waren die immer wieder auftauchenden Diskussionen über St. Petersburg – käme aber nicht in Frage, da dies für Russland ein „untragbarer Luxus“ sei.
Auf die direkte Frage, wofür in Russland er sich schäme, antwortete Putin: „Über die Armut im Land“.
(ld/.rufo)
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