Moskau. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die russische Polizei aufgefordert, häusliche Gewalt nicht mehr als Kavaliersdelikt zu verharmlosen. Häufig würden sich die zuständigen Beamten immer noch weigern, Anzeigen von misshandelten Frauen entgegenzunehmen, klagten Amnesty-Vertreter am Montag auf einer Pressekonferenz. Angaben russischer Nichtregierungsorganisationen zufolge wird jede fünfte russische Frau von ihrem Partner regelmäßig geschlagen.
Das bedeutet, ca. 36.000 Frauen leiden täglich unter häuslicher Gewalt. Jährlich sterben ca. 14000 Frauen durch die Hand ihres Mannes oder anderer Verwandter. Diese Zahl findet sich in dem Bericht der russischen Regierung 2002 an das UN-Komitee „Beendigung der Diskriminierung von Frauen“ (CEDAW). Als Antwort auf diese alarmierenden Zahlen verlangte das UN-Komitee schnelle Maßnahmen der Regierung gegen die Gewaltausschreitungen. Doch bisher passierte nicht viel.
Vertreter von Amnesty International und der russischen Vereinigung von Krisenzentren für Frauen „Stop Gewalt“ (RACCW) versammelten sich vergangene Woche zu einer Konferenz, um einen Aktionsplan für Behörden, NGOs und Experten zu entwerfen. Am Montag stellten sie ihre Forderungen vor:
Zum einen sollten die Verbrechensstatistiken in den Polizeiämtern genauer geführt werden. Häufig weigern sich die Beamten, Fälle häuslicher Gewalt zu den Akten zu nehmen, da diese immer noch als familieninternes Kavaliersdelikt gelten. Eine detaillierte Registrierung der Verbrechen könnte dabei helfen, die genau Zahl der betroffenen Frauen offenzulegen und das öffentliche Bewußtsein zu verändern, so die Menschenrechtler.
Zudem fordern Amnesty und die russischen NGOs verbindliche Handlungsanweisung für Polizeibeamte, die mit häuslicher Gewalt konfrontiert werden. Bisher gibt es keine klaren Vorschriften.
Damit die Polizeibeamten die Lage der Frauen besser verstehen können und sich angemessener verhalten, sollte es künftig Fortbildungen zum Thema Frauenrecht und Gewalt gegen Frauen geben.
In den letzten Jahren haben die im RACCW zusammengeschlossenen NGOs in verschiedenen Regionen Russlands Krisenzentren aufbauen können und die Kooperation mit lokalen Polizeistationen gesucht. Doch die Hilfe ist noch lückenhaft. Anlaufstellen für misshandelte Frauen existieren bisher nur in den großen Städten. Auch die Unterstützung und Mitarbeit von Seiten der Polizei und der Behörden lässt noch zu wünschen übrig. „Wir sind jetzt soweit, um mit der Regierung arbeiten zu können.“ sagte Irina Chaldejewa, die Präsidentin des RACCW am Montag. Jetzt hoffen die Menschenrechtler auf die entsprechende Resonanz.
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